Die First Lady

Ella Fitzgerald 100

  • Sabine Göttel und Olaf Neumann
  • Lesedauer: 3 Min.

Für einen wahren Gänsehaut-Moment sorgte »Lady Ella« - wie ihre Fangemeinde Ella Fitzgerald ehrfürchtig nannte - im Februar 1960 in der Berliner Deutschlandhalle. Als sie sich anschickte, den Brecht-Klassiker »Mack The Knife« (Die Moritat von Mackie Messer) zu intonieren, fiel ihr der Text nicht ein. Was folgte, ist Legende: Das Konzert und ihre brillanten Improvisationen erscheinen unter dem Titel »Ella in Berlin« auf Vinyl und werden 1961 mit einem Grammy bedacht, das Album wird 1999 in die Grammy Hall Of Fame aufgenommen. An diesem Dienstag wäre Fitzgerald hundert Jahre alt geworden.

Als Fitzgerald 1996 starb, war sie als »First Lady Of Song« längst in die Jazzgeschichte eingegangen. Vor allem ihre herausragenden Songbook-Alben, die sie zwischen 1956 und 1964 beim Label Verve aufnahm, machen sie unsterblich. Mit ihrer wandlungsfähigen Stimme beherrschte sie mühelos fast drei Oktaven. Ihre Aufnahme des Jazz-Standards »How High The Moon«, in der sie die Charlie-Parker-Komposition »Ornithology« mit Scat-Gesang zitierte, gilt als eine der besten Solo-Improvisationen Fitzgeralds.

Der Erfolg war Ella Jane Fitzgerald nicht in die Wiege gelegt. Die Eltern trennen sich 1917 schon kurz nach ihrer Geburt. Der Unfalltod ihrer Mutter wirft die ehrgeizige 15-Jährige aus der Bahn. Es ist die Zeit der Großen Depression in New York, Ella ist schwarz, obdachlos und ohne jede Perspektive. Ein paar Dollar verdient sie sich als Türsteherin eines Bordells sowie als Kurierin eines illegalen Wettbüros. Schließlich landet sie in einer Besserungsanstalt für Mädchen, aus der sie wenig später flieht.

1934 meldet sie sich bei einem Talentwettbewerb für Tanz-Amateure im Apollo Theatre in Harlem an. Doch Ella tanzt nicht - sie singt spontan den Song »Judy« von Hoagy Carmichael. Das Publikum bricht in Begeisterung aus, verlangt eine Zugabe. Und auch dem Saxofonisten Benny Carter fällt sie auf, der sie dem Bandleader Chick Webb empfiehlt. Wenig später tritt sie mit Webbs Orchester äußerst erfolgreich im Savoy Ballroom auf, die ersten Tonaufnahmen folgen: 1935 erscheint der Song »Love And Kisses«, 1938 wird »A-Tisket, A-Tasket« ihr erster großer Erfolg - und zur Hymne der Swingära.

1941 startet Fitzgerald mit einem langfristigen Vertrag bei Decca ihre Solokarriere. Zahlreiche Hits mit musikalischen Partnern wie den Ink Spots folgen. Eine neue Stufe ihrer Laufbahn erreicht sie 1946 durch die Zusammenarbeit mit dem Jazz-Impressario und Produzenten Norman Granz, bei dessen Label Verve sie schließlich unter Vetrag kommt - ein Glücksgriff: Die acht Songbook-Aufnahmen, die sie zwischen 1956 und 1964 bei Verve realisiert und auf denen sie Songs von Komponisten und Textern wie Cole Porter oder Irving Berlin neu intoniert und interpretiert, sind bis heute sensationell erfolgreich.

Am 15. Juni 1996 stirbt die wohl berühmteste und einflussreichste Stimme des Jazz mit 79 Jahren in Los Angeles.

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