Zwickau stoppt sich selbst
Folge 113 der nd-Serie »Ostkurve«: Egal wie oft der FSV noch gewinnt, er bleibt in Liga drei
Zwickau und Profifußball - darauf hatte Bernd Tipold lange warten müssen. Nach 18 Jahren erfüllte sich sein Wunsch im vergangenen Sommer: Der FSV stieg in die 3. Liga auf. Die beste Zeit des Vereins nach der Wiedervereinigung hatte der heute 57-Jährige noch als Spieler miterlebt. »Es war eine einmalige Chance«, erinnert sich Tipold an den Mai 1996. Damals war er Zwickaus Kapitän und stand mit dem FSV auf Platz drei der 2. Bundesliga. Als Fünfter verpasste der Verein den Aufstieg in die erste Liga. Danach ging es stetig bergab, bis in die fünftklassige Landesliga Sachsen.
Jetzt hofft nicht nur Tipold, dass man in Zwickau nicht erneut eine große Chance verspielt hat. 15 Spiele, elf Siege, 35 Punkte: Der FSV ist mit Abstand die beste Rückrundenmannschaft der 3. Liga, nur drei Zähler trennen den Tabellensechsten von den Aufstiegsrängen. Aber selbst wenn Zwickaus Fußballer auch noch die letzten vier Saisonspiele gewinnen sollten, aufsteigen können sie keinesfalls.
Als es im Winter galt, beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) die Lizenzunterlagen für die kommende Saison zu beantragen, dachte in Zwickau niemand an die 2. Bundesliga. Der FSV war Vorletzter und hatte wieder einmal finanzielle Probleme. »Sollten wir die Auflagen nicht erfüllen, drohen uns Geldstrafen, Punktabzug und im schlimmsten Fall der Lizenzentzug«, skizzierte Vorstandsmitglied Tobias Leege die gefährliche Situation im vergangenen Dezember. Dem Verein fehlten mehr als 400 000 Euro im Etat der laufenden Saison.
In diesen Tagen spricht Sportdirektor David Wagner von einem »Luxusproblem«. Die Anforderungen des DFB wurden fristgerecht bis Ende Januar erfüllt, die Lizenz für die kommende Saison in der 3. Liga wurde unter Auflagen im wirtschaftlichen Bereich erteilt, von deren Erfüllung der Verein überzeugt ist und der Abstieg ist kein Thema mehr. Zur selbst verspielten Aufstiegschance meint Wagner: »Wir ärgern uns darüber nicht.« Die Entscheidung sei im Winter einstimmig getroffen worden und richtig gewesen, alles andere wäre gar »grob fahrlässig« gewesen. Die volle Konzentration sollte dem Klassenerhalt gelten. Zudem habe man auch aus wirtschaftlicher Sicht einen Lizenzantrag für die 2. Bundesliga nicht verantworten können. »Der Antrag hätte uns einen mittleren fünfstelligen Betrag gekostet und drei bis vier Mitarbeiter einen ganzen Monat lang beschäftigt«, erzählt Wagner.
Jonas Acquistapace ist erst drei Monate in Zwickau. In einer Sache aber ist er sich schon sicher: »Nein«, sagt der 27-Jährige, »ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand am Ende Vorwürfe erheben wird, dass der Klub eine falsche Entscheidung getroffen hätte.« Acquistapace ist Abwehrspieler und trug in seinen bislang zwölf Spielen auch zum sportlichen Aufschwung bei. Die Freude darüber ist im Verein und dessen Umfeld noch größer als die Enttäuschung über einen möglicherweise verpassten Aufstieg. Und auch die finanzielle Rettung hat für große Erleichterung gesorgt. Denn schließlich musste der FSV Zwickau schon zwei Mal, 1999 und 2010, eine Insolvenz anmelden.
Sparen muss der Verein dennoch weiterhin. Für die kommende Saison plant er mit einem Gesamtetat von 5,3 Millionen Euro und will »einen deutlichen Überschuss« erwirtschaften, um Schulden abzubauen. Dafür soll vor allem an den Personalkosten gespart werden. Der Spielerkader soll um eine Fünftel billiger werden. Für Trainer Torsten Ziegner eine große Herausforderung. Um die Qualität der Mannschaft dennoch zu steigern, will er den Kader von derzeit 27 auf 23 reduzieren.
Doch erst mal zählt für Ziegner noch die aktuelle Spielzeit. Denn ein großes Ziel haben sie in Zwickau noch: Platz vier und damit die direkte Qualifikation für den DFB-Pokal. Auch dafür muss seine Mannschaft noch so viele Spiele wie möglich gewinnen. Beim Tabellenzwölften Preußen Münster stehen die Chancen an diesem Sonntag dafür nicht schlecht. Sollte der FSV Zwickau am Saisonende dann tatsächlich auf einem Aufstiegsplatz stehen, wird das Thema des selbst verhinderten Aufsteigers sicherlich noch mal die ganz große Runde machen. Torsten Ziegner würde sich bestimmt auch ärgern, aber vielleicht nicht allzu sehr. Denn er weiß: »Ein Aufstieg käme für Zwickau in allen Bereichen viel zu früh.«
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