Die ehemals rote Uni und der Aldi

Großdiscounter baut für Hochschule in Bremen und fühlt sich geehrt

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Marxens Werk findet sich dort kaum noch. Jetzt ist Lessing angesagt: Kunst und Wissenschaft gehen nach Brot. Was nun in der Weser-Metropole seinen Ausdruck darin fand, dass ein Staatsrat aus dem Hause des Wirtschafts-, Häfen- und Arbeitssenators Martin Günthner (SPD) für einen Aldi-Markt den Grundstein legte. Das wurde groß gefeiert. Auch die eigentlich Zuständigen, nämlich der grüne Bausenator und die SPD-Wissenschaftssenatorin, äußerten sich begeistert. Die Uni-Leitung ebenfalls.

Denn die kleine Bremer Uni ist längst eine große, unüberschaubare, die aus allen Nähten platzt. Es fehlen Wohnheimplätze, Parkplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Räume für Forschung und Lehre.

Auch Aldi ist längst nicht mehr nur eine Kette von Schlicht-Läden, in denen es billige Sachen gibt. Der gefeierte Bauherr heißt in diesem Fall »Aldi Immobilienverwaltung GmbH & Co. KG.«, die zur Unternehmensgruppe »Aldi Nord«gehört.

Und die hat etwas mit der Uni Bremen, mit der rot-grünen Bremer Koalition und mit der Wirtschaftsförderung Bremen GmbH (WFB) gemeinsam: Alle wollen expandieren. Die WFB ist eine GmbH, die dem Bundesland Bremen und den beiden Städten Bremen und Bremerhaven gehört. Sie hat mehrere 100 Angestellte und einen Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich.

Die Bremer Uni hatte bereits vor 25 Jahren angefangen, Flächen um sie herum zu erschließen für einen »Technologiepark«. Die Brachen im Süden der Uni, in direkter Nähe zum Campus, wurden vor 17 Jahren ins Auge gefasst, die Erschließung begann vor drei Jahren. Und so lange ist Bremen im Geschäft mit dem Discounter-Immobilien-Unternehmen. Das hat laut Eigenauskunft bis auf 330 Quadratmeter im Erdgeschoss die gesamte Fläche vermarktet.

Auf dem 7000 Quadratmeter großen Grundstück sind zwei Gebäude geplant. Im Erdgeschoss soll es neben dem Discounter noch einen Bioladen und eine Bäckerei geben. Die 6500 Quadratmeter in den Obergeschossen sind laut WFB bereits an die Uni und universitäre Einrichtungen vermietet. Auch Parkmöglichkeiten werden gebaut.

Es ist von einem zweistelligen Millionenbetrag die Rede, den Aldi investiere und von gut 100 Leuten, die eingestellt werden sollen. Außerdem geriert sich der Discounter als geehrt, seinen Teil zur Nahversorgung der Menschen an der Uni beitragen zu dürfen. Das wird nicht nur eine Ehre, sondern auch ein gutes Geschäft. Denn in der Tat wird ein Supermarkt von vielen Uni-Angehörigen vermisst. Die Versorgungssituation ist für die rund 20 000 Studierenden und gut 3500 Angestellten und Lehrenden nicht optimal. Zur Mittagszeit finden nicht alle Platz in den Mensen und Cafeterien. Außerdem sind die Öffnungszeiten sehr eingeschränkt.

Am Uni-Campus leben nicht mehr nur ein paar Studierende. Er ist umgeben von Wohnheimen und grünen Flächen. Aber zu den nächsten Einkaufsmöglichkeiten ist der Weg weit. Es wird sich zeigen, wie die Koexistenz von staatlicher Uni und Riesen-Discounter funktioniert. Ob es leichtsinnig war, sich von einem Vermieter abhängig zu machen, anstatt selbst zu bauen.

Als der erste Hörsaal an der Uni Bremen entstand, wurde er informell »Keksdose« genannt. Diesen Namen trägt er noch immer. Womöglich wird die Bremer Universität bald zur »Aldi-Uni«. Eine Jacobs-Uni gibt es hier bereits. Das ist eine Privat-Uni.

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