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Missglücktes Experiment

Bartók & Fassbinder

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal haben schon 1912 versucht, ein Schauspiel mit einer Oper zu kombinieren - den »Bürger als Edelmann« mit »Ariadne«. Mit Max Reinhardt stand den beiden Genies, die sich ihr Experiment selbst gedichtet und komponiert hatten, ein Jahrhundertregisseur zur Seite. Das Publikum aber wollte Oper oder Schauspiel sehen und nicht von jedem etwas. Das hat sich bis heute nicht geändert, wie man nach der jüngsten Premiere in Halle (Saale) weiß.

Kombiniert wurden hier Béla Bartóks Oper »Herzog Blaubarts Burg« (1918) mit Rainer Werner Fassbinders bürgerlichem Trauerspiel »Bremer Freiheit« (1971). Regisseurin Thriza Bruncken, die vom Schauspiel kommt, hat durchaus ihre eigene strenge Stilistik und weiß mit dem musikalischen Rhythmus in der Sprache umzugehen. Aber Schauspiel und Oper bleiben zwei Paar Schuhe. Und die für die Oper erwiesen sich als deutlich zu groß für die Regisseurin - zumindest bei dieser, ihrer ersten Begegnung mit dem benachbarten, komplexeren, eigentlich moderneren Genre.

Weil Bartóks dunkler Psychodiamant wegen seiner Kürze einen Abend allein nicht ausleuchtet, hat die Oper in Halle ihn mit Fassbinders Frauenmörderstück zusammengespannt. Darin wird Geesche zur 15-fachen Mörderin. Bei Bartók (Libretto: Béla Balázs) begegnet Judith dem Mann, der ihre drei Vorgängerinnen umgebracht und hinter verschlossener Tür entsorgt hat - zumindest, wenn man die Handlung nimmt, wie sie dasteht, und nicht gleich auf Paartherapie umschaltet.

Das Einheitsbühnenbild und die Kostüme von Christoph Ernst postulieren den Zusammenhang beider Werke. Felicitas Breest und Mirco Reseg sind mittelalterlich kostümiert, Sopranistin Anke Berndt und Bariton Gerd Vogel zugeknöpft bürgerlich, und Susanne Bredehöft und Thorsten Heidel treten im Freizeitlook von heute auf. Alle sind in beiden Teilen im Einsatz. Warum die Schauspieler mit Botoxlippen gezeichnet sind oder warum die Judith (Anke Berndt) ihre Haare nicht zeigen darf, ihr Double aber eine Perückenhaartracht zum goldenen Gewand ziert, gehört zu den Geheimnissen des Abends. Von denen bleiben einige, die die Räume dieser Spielzeugburg in Bonbonrosa vor den unsäglichen Plastikplanen auf der Drehbühne nicht verlassen. Dafür gibt’s Slapstick und mal ein Tänzchen - was man halt so macht, wenn der Mord zum Kaffee das angesagte Hobby ist. Oder weiß man etwa mit der Musik nichts recht anzufangen? So, wie sich die Darsteller, die beiden Sänger und Dirigent Josep Caballé-Domenech mit der fabelhaften Staatskapelle Halle ihren Beifall redlich verdient hatten, war es auch mit den Buhs für den Ausstatter und seine Regisseurin.

Man kann nur hoffen, dass die Auseinandersetzung um die einzelne (eben auch mal misslingende) Inszenierung nicht zur Munition in der Kampagne wird, die die Lokalpresse gerade gegen die neue Opernleitung angezettelt hat.

Nächste Vorstellung am 12. Mai

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