Versorgungskrise in Venezuela hat verheerende Folgen

Neue Zahlen des Gesundheitsministeriums sind besorgniserregend / Zwei weitere Tote bei Protesten

  • Lesedauer: 3 Min.

Caracas. Die schwere Versorgungskrise in Venezuela hat verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Wie das Gesundheitsministerium in Caracas am Mittwoch mitteilte, stieg 2016 die Säuglingssterblichkeit sprunghaft an, ebenso die Zahl der Mütter, die bei der Geburt starben. Die Zahl der Toten bei den Unruhen in Venezuela erhöhte sich unterdessen seit Anfang April auf 38.

Dem Ministerium zufolge stieg die Zahl der Säuglinge, die vor Erreichen des ersten Lebensjahrs starben, im vergangenen Jahr um 30 Prozent auf knapp 11.500 an. Die Zahl der im Kindbett gestorbenen Mütter wuchs demnach um zwei Drittel auf 756. Auch die Tropenkrankheit Malaria, die vor wenigen Jahren in Venezuela als weitgehend ausgerottet galt, setzt den Menschen immer mehr zu. Im vergangenen Jahr wurden dem Ministerium zufolge 240.000 Fälle gemeldet, das waren 76 Prozent mehr als im Vorjahr. In 13 der 24 Bundesstaaten habe die Malaria epidemische Ausmaße angenommen.

Venezuela leidet seit Jahren unter einer Versorgungskrise, die durch den Preisverfall beim Hauptexportgut Öl verschärft wird. Dem Land mangelt es an Devisen für den Import von Arzneien, medizinischem Gerät und anderen Gütern des Grundbedarfs. Nach Angaben der Venezolanischen Medizinischen Föderation verfügen die Krankenhäuser nur über drei Prozent der Medikamente, die sie für einen normalen Betrieb benötigen.

Die konservative und rechtsgerichtete Opposition macht den linksnationalistischen Präsidenten Nicolás Maduro für die Krise verantwortlich. Sie kämpft für vorgezogene Parlamentswahlen und eine Volksabstimmung über eine Absetzung des Staatschefs, dessen Mandat regulär im Januar 2019 endet. Auf Widerstand der Regierungsgegner stößt besonders die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung durch Maduro. Das von der Opposition beherrschte Parlament fühlt sich übergangen, dessen Präsident Julio Borges wies Maduros Vorstoß als »Verfassungsbetrug« zurück.

Bei erneuten Protesten in Caracas versuchten tausende Demonstranten zum Obersten Gericht vorzudringen. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen sie vor. Vermummte Regierungsgegner mit Schilden warfen Molotowcocktails, Steine und Farbbomben in Richtung der Polizisten. Einige Demonstranten setzten Wurfgeschosse mit Exkrementen ein, sogenannte Cacatows.

Bei den Protesten in der Hauptstadt wurde am Mittwoch ein 27-jähriger Mann durch Schüsse getötet, wie Innenminister Néstor Reverol bekanntgab. Der Staatsanwaltschaft zufolge starb außerdem ein 38-Jähriger, der zwei Tage zuvor in der westlichen Stadt Mérida einen Schuss in den Kopf erlitten hatte. Damit wurden seit dem 1. April bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Einsatzkräften, bei Plünderungen am Rande von Demonstrationen und bei Schießereien 38 Menschen getötet. Beide Seiten machen sich gegenseitig für die Gewalt verantwortlich.

Auslöser der Protestwelle war Ende März die vorübergehende Entmachtung des von der bürgerlichen Opposition dominierten Parlaments durch das Oberste Gericht. Sozialisten und das bürgerliche Lager in Venezuela liefern sich seit Jahren einen erbitterten Machtkampf. Die Opposition wirft der Regierung Misswirtschaft und die Aushöhlung des Rechtsstaats vor. Präsident Maduro beschuldigt die Opposition, mit einem Wirtschaftskrieg und ausländischer Unterstützung eine Umsturzstimmung im Land zu provozieren.

Die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega kritisierte unterdessen, dass die Militärjustiz mit Zivilisten befasst sei. Gemäß der Verfassung sei für Zivilisten die normale Gerichtsbarkeit zuständig, sagte sie. Die venezolanische Menschenrechtsorganisation Foro Penal hatte angeprangert, dass im Zuge der Proteste bereits dutzende Zivilisten vor Militärgerichte gestellt wurden. AFP/nd

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