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Der gute Mensch von Sitz-uan

Christoph Ruf über den DFB, der anscheinend glaubt, dass Krawallmacher ausschließlich auf Stehplätzen zu finden sind

  • Lesedauer: 4 Min.

Am Sonntag fand mit der Partie Karlsruher SC gegen Dynamo Dresden die möglicherweise bedeutungsloseste Partie seit Erfindung des rollenden Balles statt. Der KSC ist seit Wochen abgestiegen - es würde den Rahmen der gesamten Zeitung sprengen, würde man hier ausführen wollen, warum das folgerichtig ist. Dynamo Dresden hingegen hat eine klasse Saison gespielt, bei der man als Aufsteiger noch fast an die erste Liga herangekommen wäre. Doch dann ging das Spiel in Braunschweig in der zweiten Minute der Nachspielzeit verloren. Und mit ihm die Aufstiegshoffnungen. Seither spielt Dynamo ein bisschen wie eine Thekenmannschaft. Oder wie der KSC.

Ein schöner Saisonabschluss wäre das Ganze aber wohl trotzdem geworden, hätte der DFB nicht einen Zuschauerteilausschluss verfügt, dank dem nur gut 6000 Leute ins Stadion durften. Spiele zwischen den beiden Vereinen gehören seit dem Mauerfall zu den stimmungsvolleren Veranstaltungen im deutschen Fußball - weil sich beide Fangruppen nicht leiden können und sich das während des Spiels auch immer wieder so bestätigen. Und da die Stimmung auf den Rängen eben doch auf den Platz abfärbt, gab es auch da immer etwas zu sehen.

Der Autor

Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

Am Sonntag war nun alles anders, es gab dafür aber interessante Einblicke in das Wesen von Fußballfans. Denn mehr als 2000 Dresdener Fans haben trotz des zu erwartenden Slomo-Kicks die lächerlichen zehn Stunden Autofahrt auf sich genommen, einfach, weil man sich das als Fan so schuldig ist, wenn die Mannschaft ihr letztes Saisonspiel bestreitet. Und ebenso viele Karlsruher Fans sind trotzdem zum Stadion gekommen, um zu zeigen, dass sie sich nicht wegdekretieren lassen. In ihrem Schlepptau waren auch viele Fans von Hertha BSC Berlin, die ihre eigene Mannschaft zuerst in Darmstadt unterstützt hatten, ehe sie den befreundeten KSC zusammen mit den Kumpels in die Dritte Liga verabschiedeten.

Das Spiel konnten sie allerdings genau so wenig sehen wie die Karlsruher, denn der DFB hatte verfügt, dass neben den Gästefans, die bereits eine Karte gekauft hatten, nur diejenigen Zuschauer ins Stadion dürfen, die über eine Sitzplatzdauerkarte verfügen. Es war die Strafe für das Verhalten einiger KSC-Fans beim Derby in Stuttgart.

Nun soll an dieser Stelle nicht verharmlost werden, was dort passierte, im Gegenteil. Man könnte auf das hirnlose Pack lebenslang verzichten, das im Schutze der Anonymität von Maske und Fanblock Leuchtspurmunition in Richtung von Menschen schießt. Der Hohn schlechthin ist, dass diese Ellenbogenkreaturen sich offenbar auch noch irgendwie als Avantgarde oder gar als rebellisch begreifen und gar nicht merken, was sie vor allem sind: gelangweilte 08/15-Konsumkids, die (falls ein Leserbriefschreiber in den »Badischen Neuesten Nachrichten« die Geschichte nicht erfunden hat) auf die Frage, wieso sie den eigenen Fans und dem eigenen Verein schaden, als Antwort sagen: »Na und? Hat doch Spaß gemacht.« Also: Keinerlei Entschuldigungen für diese Idioten und die kritische Frage an die ansonsten so kritische Fanszene, ob es wirklich so eine gute Idee ist, diese Leute zu dulden.

Und dennoch sei die Frage erlaubt, was die Strafe, die der DFB verhängt hat, mit diesen Vorkommnissen zu tun haben soll. Selbst wenn wir einmal annehmen, dass die Vermummten im Stuttgarter Gästeblock tatsächlich bei KSC-Heimspielen ein Stehplatzticket haben und nun also zum Verpassen des Dresden-Spiels gezwungen werden - warum bestraft man die fast 5000 Stehplatz-Dauerkarteninhaber auch, tut das aber nicht bei den 3300 Sitzplatzdauerkarten? Ob der DFB insgeheim davon ausgeht, dass die anständigen Menschen sich ein teures Ticket kaufen, während die Querulanten eben zum Stehen neigen? So kann man das Urteil durchaus lesen, denn wäre es nur darum gegangen, den KSC finanziell zu treffen, hätte man auch einfach eine entsprechende Geldstrafe verhängen können.

Und noch etwas, so ganz am Rande. Für die Polizei könnte ein Fußballspiel leichter zu handhaben sein, bei dem man die beiden Fangruppen in die für sie vorgesehenen Stadionbereiche begleitet, als eines wie das am Sonntag, bei dem sich in beiden Fangruppen eine gehörige Wut auf ein Urteil angestaut hat, das sie als willkürliche Gängelei empfinden. Viel öfter, als sich Polizei und Verbände das vorstellen können, haben nämlich auch Fangruppen, die sich nicht mögen, ein gemeinsames Feindbild.

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