Buddha in gestirnter Wanne

Der Dichter Richard Pietraß geht der »Entdämonisierung Amerikas« poetisch nach

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Glücklicher: ist zur Gastprofessur ins pennsylvanische Meadville eingeladen worden, wo er über mehrere Monate freundliche Studenten für Lyrik begeistern konnte. Haikuseminar, Übersetzerwerkstatt - in der Fremde das Eigene. Poesie und Beschaulichkeit. Wer vermutet das in den USA?

Es lebt doch ein Bild in der deutschen Öffentlichkeit von diesem großen Land, das nur zu Teilen stimmig ist. So war es schon, als Richard Pietraß dort war. Und seit Trump Präsident ist, kann man sich nur wundern, wie manche, die einst vorbehaltlos die transatlantische Brücke rühmten, dort plötzlich nur noch böse Geister am Werke sehen. Pietraß spricht von seiner Erfahrung als »Entdämonisierung Amerikas«. Wer einmal dort war, wird ihm zustimmen. Wiewohl freundliche Menschen, denen man begegnete, nur das eine sind; die Politik - das, was man hierzulande davon hört, sei hinzugefügt -, das andere.

Dichters Tagebuch: Da wird nicht so geradeaus erzählt, wie ich es hier tue. Keine Chance, Richard Pietraß’ Stil zu kopieren. Wobei Sprachverliebtheit, Sprachspiel hier einem Menschen gehören, der neugierig ist und aufgeschlossen, der zur glücklichen Fügung auch noch ein glückliches Naturell mitbringt, um einzutauchen in die vielen Möglichkeiten, die ein Tag so bietet. Keine Grübeleien und schon gar keine Missstimmigkeiten. Beobachtungsgabe. Sinn für Einzelheiten, gerade auch für Alltäglichkeiten wie die Concord-Trauben und die Kräuterbündel vom Markt. »Landregen«. »Herbstsanfte Sonne«. »Wachgeträumt. Tagversäumt«. Den Grillen gelauscht. Mit dem Leihwagen durch die Gegend gekurvt.

American Football muss man auch mal erlebt haben. Schöner sind die Wälder und Seen. »Zwei Stunden einsames Schwimmen hinter den Walbuckeln. Im Wasser zum Seehund geworden, der nicht aus dem Aquarium will. Sonnenuntergang mit großem Federkiel, der, hell in Orange, sein Geheimnis übers Wasser tuscht.«

»Daß unsere Welt den Bach runtergeht, davon überzeugen sich jährlich zehn Millionen Pilger am niagarischen Orakel« - das Richard Pietraß so beschreibt, wie es eines Dichters würdig ist. Aber noch besser als dieses Spektakel ist es, auf dem Eriesee allein in der Abenddämmerung zu sein. »In den Sonnenuntergang gestiegen und in den Sternenhimmel geschwommen: wohlig auf dem Rücken, Buddha in gestirnter Wanne.«

Ein kleiner Dresdner Verlag tat dem Text etwas Gutes: Mit Collagen von Wolfgang Petrowsky, Reproduktionen alter Postkarten und zwei Landkarten zum Auseinanderfalten wurde ein besonders schöner Band daraus.

Richard Pietraß: Amerikanische Grillen. Pennsylvanisches Tagebuch. Typostudio SchumacherGebler. 72 S., 14 Abbildungen, zwei Landkarten, br., 16 €.

An diesem Donnerstag, 18. Mai, liest Richard Pietraß um 20 Uhr im Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestr. 125, Mitte.

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