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Visca l’Europa!

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Am letzten Urlaubssonntag ist der Club Esportiu Europa Barcelona in der Top fünf meiner Lieblingsfußballvereine von null auf vier gesprungen. Kennen Sie nicht? Der flotte Viertligist entstand 1907, kam 1923 ins Finale der Copa del Rey, war 1928 Mitbegründer der spanischen Liga, rutschte aber bald in die Unterklassen ab. Super präsent war CE Europa über all die Jahrzehnte trotzdem, da man nahe der berühmten Sagrada Familia gegründet wurde, wo über Jahre das Stadion stand.

Unweit der einstigen Stätte liegt Europas heutiges Stadion Nou Sardenya, klein aber fein, 7000 Zuschauer fassend, inmitten eines schönen Wohngebietes in Gracia, im Herzen Barcelonas, wo gegenüber der überdachten Haupttribüne ein zwanzigstöckiger Neubau zur aufregenden Akustik beiträgt. Hier trieb sich mein Gastgeber Altona-Jan schon seit Monaten regelmäßig herum, und auch ich fand schnell Gefallen an diesem Verein, der noch einige Punkte im Kampf gegen den Abstieg benötigte und gegen den Letzten antreten sollte, gegen Sabadell B.

Der Eintritt betrug faire zehn Euro, wobei Jan bei dessen letztem Besuch von der Kassen-Madame einige Bonusscheine aufgedrängt worden waren, sodass wir für je einen Fünfer hineinkamen. Als ich nach einem Fan-Artikelstand der Blau-Weißen fragte, deren bizarres Logo die Form eines Hinterns hat und so aussieht, als rutschten die Arschbacken unter einer gestreiften Badehose hervor, bekam ich zu hören, dass es hier um Fußball gehe. Wenn man ein lustiges Hemd kaufen wolle, müsse man wochentags in die Geschäftsstelle der »Kapuziner« gehen. So nennt man sie wegen ihrer markanten V-Ausschnitte, die sie seit 1926 tragen. Diese Fußballermode hatten sie damals nach einem Freundschaftsspiel gegen Birmingham City von ihren Gästen übernommen.

Hier in Gracia schien die Welt stehen geblieben zu sein, spätestens zu einer Zeit, als der gegenüberliegende Neubau hochgezogen wurde, aus dem heraus manchmal ein Mieter schreiend um seine Ruhe kämpft und so zur Belustigung der Zuschauer beiträgt. Am letzten Sonntag machten die anwesenden 333 Leute von der ersten Minute an ordentlich Lärm, auch dank des 4:0-Sieges. Nach genervten Mietern hielt ich vergeblich Ausschau.

Eine gute Sicht aufs Spielfeld hatte man auch von der Stadionkneipe aus, wo die ältere Fraktion »Cavallers« einen auf »Party in der VIP-Lounge« machte, inklusive »1, 2, 3 - Oberkörper frei!« und Wechselgesängen mit der jugendlichen Fraktion »Eskapulats«. Das Repertoire reichte von der Europa-Hymne »Freude, schöner Götterfunken« bis zum Skatalites-Song »Latin goes Ska«.

Beim CE Europa bleibt man von der militanten Ultra-Kultur verschont, es gibt keinen Capo, der mit dem Rücken zum eigentlichen Geschehen auf dem Zaun rumhampelt und einen aktuellen Jauler einzupeitschen versucht. Visca l’Europa! Es lebe Europa!

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