Lenín verspricht soziale Reformen

Ecuadors Präsident tritt am Mittwoch sein Amt unter hohen Erwartungen an

  • Knut Henkel, Machala
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Plakat mit dem Konterfei von Lenín Moreno fährt Vinicio Kléber Ambrosi seit Monaten in Machala spazieren. Auf den kommenden Präsidenten Ecuadors setzt der Kleinbusfahrer, der Touristen genauso wie Ecuadorianer durch die Region um die Bananenstadt im Süden Ecuadors fährt, viel Hoffnung. »Lenín hat sich schon früher für die Immigranten und diejenigen, die zurückkehren, engagiert. Zu denen gehöre auch ich, und mir gefällt es, dass Ecuador unter Moreno sozialer werden soll«, erklärt der 63-jährige Fahrer. Für Kleinbauernorganisationen, aber auch für die Gewerkschaften ist er rund um Machala im Einsatz und oft im Zeichen der Banane.

»Machala ist die Bananenhauptstadt der Welt, hier wird so viel angebaut, das gibt es nirgendwo anders«, erklärt Ambrosi stolz. Vor rund sechs Jahren ist er aus Madrid nach Machala zurückgekehrt, hält viel von der Politik der »Alianza País«. Die Partei wurde 2007 von Präsident Rafael Correa, seinem Vizepräsidenten Lenín Moreno und anderen gegründet. Sie tritt für eine sozialere Politik in Ecuador ein. »Unter Rafael Correa ist die Infrastruktur im Land deutlich besser geworden. Nun hoffe ich darauf, dass Lenín Moreno die Ankündigung, soziale Reformen zu vertiefen, wahr werden lässt.« Diese Ansicht teilen viele im Bananenanbaugebiet Machala, wo die ökonomische Entwicklung zu großen Teilen an der krummen Frucht hängt und wo Abertausende auf den Plantagen schuften, die Früchte verpacken, bis sie über den Hafen Bolívar Machala in Richtung Europa, die USA oder Russland verlassen.

Auch die Bananen und der Kakao der Urocal-Genossenschaft nehmen diesen Weg. Die Kleinbauernorganisation gehört zu den Vorzeige-Genossenschaften Ecuadors und exportiert ihre Früchte mit dem Fair-Trade-Logo nach Gelnhausen bei Frankfurt. Dort hat »Banafair« seinen Sitz, und Urocal-Geschäftsführer Joaquín Vásquez ist dort einmal im Jahr zu Besuch, um die Eckdaten der rund 20-jährigen Kooperation neu abzustimmen.

Auch Vásquez ist ein Anhänger von Lenín Moreno, weiß aber genau, vor welcher Mammutaufgabe der 64-jährige ehemalige Vizepräsident von Rafael Correa steht. Moreno, ein diplomierter Verwaltungswissenschaftler, muss die Gratwanderung hinbekommen, die angekündigten Sozialmaßnahmen in Zeiten der Finanzkrise umzusetzen.

»Der Staatsetat leidet unter dem Erdölpreisverfall. Gleichwohl hat der neue Präsident zahlreiche Programme zur Versorgung von Hilfsbedürftigen, aber auch zur Ankurbelung des Arbeitsmarktes angekündigt«, meint Vásquez. Darunter Programme für Pensionäre, Schwangere und Jugendliche auf dem Sprung ins Berufsleben. Ein ambitioniertes Programm. Auch in der Landwirtschaft will die Regierung neue Initiativen für Kleinbauern und kleine Genossenschaften setzen und hat die Weiterverarbeitung von Agrarrohstoffen wie Kakao, Orangen und Co. ins Auge gefasst. Positiv laut Vásquez, der genau weiß, dass neue Exportoptionen über Erfolg und Misserfolg mitentscheiden.

»Die einseitige Abhängigkeit vom Öl und einigen wenigen Agrarprodukten hat uns in der Vergangenheit schon nicht gutgetan«, so der Soziologe und Kleinbauernvertreter. Mit der vom ihm geleiteten Genossenschaft hat er schon einmal einen ersten Anlauf genommen, um Schokolade zu produzieren. Derartige Initiativen zur Wertschöpfung machen Sinn und die fördert der Staat mit Programmen bereits. Diese Ansätze sollen in dem als »Minga Agropecuario« bekannt gewordenen Programm unter Lenín Moreno ausgebaut werden.

Für den Agrarsektor, in dem traditionell eher große Unternehmen aus dem Bananensektor oder der Garnelenzucht dominieren, sind das vollkommen neue Signale. Die werden auch aus dem Gewerkschaftssektor begrüßt, der in Ecuador überaus schwach ist, weil Organisationsrechte von selbstherrlich auftretenden Unternehmerdynastien oft unterlaufen werden. Kleinbauern stehen hingegen im Ruf, ihre Angestellten fair zu bezahlen und zu behandeln. »Sie arbeiten Seite an Seite mit der Familie, gehören fast dazu«, so Jorge Acosta von der Gewerkschaft der Agrararbeiter (Astac). Der 57-Jährige, gelernter Pilot, ist früher in Sprühflugzeugen über die Plantagen gedonnert bis er Gesundheitsprobleme bekam. Danach begann er sich mit Pestiziden und deren Risiken zu beschäftigen. »Das war quasi der Startschuss zur Gründung von Astac«, erklärt der umtriebige Mann. Acosta begrüßt zwar die Agrar-Initiative des neuen Präsidenten, aber dessen Personalpolitik treibt ihm Sorgenfalten auf die Stirn. Gerade ist bekannt geworden, dass Moreno als neuen Arbeitsminister Raul Ledesma Hurtado berufen wird. Der ist Sohn des Präsidenten der Vereinigung der Bananenexporteure Ecuadors. Die haben gemeinhin nicht die Verteidigung der Arbeitsrechte der Plantagenarbeiter im Sinn, für die sich Acosta engagiert. Vielleicht ist auch diese Berufung ein Ausdruck für Morenos Gratwanderung zwischen sozialem Anspruch und realen Zwängen der Märkte.

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