Dumme Sprüche, Schikanen und Beleidigungen

Mobbing am Arbeitsplatz

  • Lesedauer: 4 Min.

Dumme Sprüche, Schikanen und Beleidigungen - wenn diese Provokationen von Kollegen kommen, mit denen man täglich zusammenarbeiten muss, oder gar vom Vorgesetzten, dessen Weisungen zu befolgen sind, spricht man häufig von Mobbing. Beim Mobbing muss das Mobbingopfer mindestens einmal wöchentlich über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinweg psychisch oder physisch drangsaliert worden sein.

Mobbingrisiko von Frauen liegt bei 75 Prozent

Wegweisendes Urteil

Das sogenannte Mobbing kann auch ohne Abmahnung und unabhängig davon, ob es in diesem Zusammenhang zu einer Störung des Betriebsfriedens gekommen ist, die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn dadurch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Mobbingopfers in schwerwiegender Weise verletzt werden.

Je intensiver das Mobbing erfolgt, um so schwerwiegender und nachhaltiger wird die Vertrauensgrundlage für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses gestört. Muss der Mobbingtäter erkennen, dass das Mobbing zu einer Erkrankung des Opfers geführt hat und setzt dieser ungeachtet dessen das Mobbing fort, dann kann für eine auch nur vorübergehende Weiterbeschäftigung des Täters regelmäßig kein Raum mehr bestehen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Thüringen vom 15. Februar 2000 (Az. 5 Sa 102/2000)

Zahlen belegen, dass jede neunte Person im erwerbsfähigen Alter mindestens einmal im Verlauf ihrer Erwerbstätigkeit gemobbt wird. Das Mobbingrisiko von Frauen liegt bei 75 Prozent höher als das von Männern.

Kontakt- und Informationsverweigerung, Angriffe auf das Ansehen und die Leistungsfähigkeit sowie die Androhung sexueller oder körperlicher Gewalt zählen zu den typischen Verhaltensweisen des Mobbers. Je nach Hierarchieebene und Offensichtlichkeit werden die verschiedenen Mobbingarten in Bossing (geht vom Vorgesetzten aus), Staffing (Mitarbeiter schließen sich gegen Vorgesetzten zusammen) und Straining (weniger auffällige Form) unterschieden.

Da Mobbing in erster Linie eine Stressbelastung darstellt, rufen alle Formen bei von Mobbing betroffenen Personen körperliches und seelisches Unwohlsein oder chronische Krankheiten hervor. So leiden Mobbingopfer unter Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen.

Als der Chef einen »Sündenbock« suchte

Ein Beispiel: Herr M. arbeitet seit drei Jahren als kaufmännischer Angestellter in einem Bauplanungsunternehmen. Er war ein allseits geschätzter Mitarbeiter, der seine Aufgaben stets mit großer Hingabe erledigte und darin regelrecht aufging.

Aufgrund von Nachfolgeregelungen im Unternehmen geriet die Firma in schwere Umbruchszeiten und der Geschäftsführer immer mehr unter Druck. Diesen gab er weiter, indem er einen »Sündenbock« suchte und fand - Herrn M.

Schleichend wurde intern dessen guter Ruf in Frage gestellt, Informationen wurden ihm vorenthalten, immer weniger Dienstreisen genehmigt und aus Meetings ausgeladen. Als er dann noch im Urlaub, den er sich für die Geburt seiner Tochter nehmen wollte, täglich am Computer saß und sein Diensthandy beantwortete, um »dran zu bleiben«, sah sich Herr M. dem kontinuierlichen Prozess des »Ausgebootet-Werdens« nicht mehr gewachsen.

Der kurz vor der Pensionierung stehende Personalchef focht den Kampf für den Mitarbeiter nicht mehr aus, und für einen Rechtsstreit fehlte Herrn M. schlichtweg die nötige Kraft, so dass er das unterließ.

Erst ein Jahr nach der Kündigung kam über einen Kollegen die Nachricht, dass der Geschäftsführer wegen Unregelmäßigkeiten der letzten zwei Jahre vorzeitig entlassen und freigestellt worden sei. Für Herrn M. kam diese Nachricht leider zu spät.

In der Praxis zeigt sich, dass es in Betrieben immer wieder zu Mobbing durch Vorgesetzte, teilweise unter Beteiligung von Kollegen kommt, um einen Mitarbeiter zur »freiwilligen« Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags oder einen Eintritt in eine Beschäftigungsgesellschaft zu »bewegen«.

Verhaltensstrategien von Mobbingopfern

Es gibt eine Reihe von Verhaltensstrategien für Mobbingopfer. Ein erster Schritt ist die persönliche Aussprache und ein klärendes Gespräch mit dem Mobber. Sollte der Betroffene nicht in der Lage sein, die Situation eigenständig zu meistern, können firmenintern Kollegen oder der Betriebsrat Hilfestellung leisten.

Strafrechtliche Konsequenzen

Den Begriff Mobbing gibt es im Strafgesetzbuch nicht. Die einzelnen Mobbingvorfälle selbst liegen meistens unterhalb der Schwelle einer strafrechtlichen Relevanz. In ihrer Gesamtheit können sie jedoch einen Straftatbestand darstellen:

(vorsätzliche)Körperverletzung (§ 223 StGB)

fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)

Nötigung (§ 240 StGB)

Beleidigung (§§ 185, 192 StGB)

üble Nachrede (§186 StGB)

Verleumdung (§187 StGB)

Auf der Seite des Arbeitgebers kommen folgende Straftatbestände in Betracht:

Anstiftung (§ 26 StGB)

Beihilfe (§ 27 StGB)

Begehen durch Unterlassen (§ 13 StGB)

Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB)

Eine Strafanzeige richtet sich gegen den Täter. Dies ist in der Regel der direkte Vorgesetzte, nicht die Firma oder die Personalabteilung. Der Strafantrag ist innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Kenntniserlangung von der Straftat zu stellen. Bei entsprechendem Anfangsverdacht ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, gegen den Mobber zu ermitteln (§§152 II StPO) und Anklage zu erheben (§170 I StPO), falls sich dieser Verdacht bestätigt.

Arbeitsrechtliche Folgen

Der gemobbte Mitarbeiter hat juristisch folgende Handlungsmöglichkeiten:

Beschwerde beim Betriebsrat nach §85 BetrVG

Unterlassungsklage

Leistungsverweigerungsrecht (Vorsicht, hier besteht die Gefahr, dass der Arbeitgeber mit fristloser Kündigung reagiert).

Der Arbeitgeber kann den Mobber fristlos kündigen, weil es für den Arbeitgeber unzumutbar ist, einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, der andere unter psychischen Druck setzt. Wer einen Mitarbeiter beeinflusst oder gar anweist, einen anderen unter Druck zu setzen, dann ist das Anstiftung zu einer Straftat. Dies wird genauso bestraft wie die Tat selbst (§26 StGB). Auch dies kann zu einer fristlosen Kündigung führen.

Allerdings: Mobbing zu beweisen, kann ein Problem für den Gemobbten darstellen, denn manche Handlungen finden ohne Zeugen statt, oder vor Zeugen, die nicht bereit sind, sich an den Vorfall zu erinnern. Deshalb empfiehlt es sich, ein »Mobbing-Tagebuch« zu führen und ärztliche Befunde zu sammeln. nd

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