Tweets statt Trauer
Stephan Fischer zum Anschlag in Manchester
Wir sind schockiert. Unsere Herzen und Gedanken bei Opfern und Angehörigen. Stehen fest an der Seite. Sichern volle Unterstützung. Dürfen Terroristen nicht gewinnen lassen. Dürfen unsere Lebensweise nicht verändern. Werden Sicherheitsmaßnahmen überprüfen. Verschärfen.
Worte. Immer gleich und wie vorgefertigt. Paris, Brüssel, Istanbul, Nizza, Berlin, Istanbul, London, St. Petersburg, Stockholm. Und nun Manchester.
PrayforManchester. Bilder mit Kerzen und Herzen. Trauer und Schock sind zu Tweet und Statement verkürzt. Schockierend ist, wie wenig schockierend so etwas Unfassbares noch wirkt. Wie routiniert und schnell die Reaktions- und ja, auch Redaktionsmaschinen an- und weiterlaufen. Und wie vielen nach einem Anschlag schon vorher klar war, wer oder was für ihn verantwortlich ist: Islam, Merkel, Flüchtlinge …
Reden, sich mitteilen, aktiv werden. Zutiefst menschliche Bedürfnisse nach grausamen Taten. Aber wenn davor Trauer und Schock nicht wirklich Raum und Zeit bekommen - dann wirken Worte leer, immer öfter hohl. Dann wirken Worte wie Reflexe vorgefertigter Überzeugungen, nicht wie Reflexionen aufs Ereignis selbst.
Schock und Trauer können ohne Raum und Zeit nicht heilsam sein. Von beidem scheint zu wenig da. Mehr als 20 Tote, ein Anschlag auf Kinder - die Routinen laufen perfekt. Bis zum nächsten Knall. Bloß nicht innehalten. Terrorismus ist Teil des Alltags geworden. Sind wir schockiert?
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.