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Trend: Traumjob Hausfrau
Der »Spiegel« hat den neuesten Trend gefunden, und auch in Andreas Koristka spricht etwas dafür
Der »Spiegel« hat seit jeher ein feines Näschen für gesellschaftliche Trends. In der aktuellen Titelstory »Traumjob Hausfrau? – Die neue Sehnsucht nach daheim« stellt er das wieder einmal unter Beweis. In diesem aufrüttelnden Stück Gesellschaftsreportage werden die Fragen gestellt, die uns alle bewegen: »Ist die Karrierefrau over, zieht sie sich leise zurück ins Haus, begleitet vom Duft selbst gebackenen Kuchens und frisch bezogener Kissen? Die Sehnsucht in mir spricht dafür, der riesige Erfolg von Momfluencern auch. Wo kommt das her? Was ist los mit uns?«
Ja, verdammt noch mal, was ist los mit uns? Wenn die Autorin der »Spiegel«-Titelstory gerne Instagram-Mommy-Content suchtet, dann muss ja irgendwas sein! Ich bin von Zeit zu Zeit selbst Hausfrau und muss sagen, dass ich nicht so viel Freude daraus ziehen kann, die Kinder zu betreuen, zu putzen und das Vormittagsprogramm des Analogfernsehens zu schauen. Natürlich, so eine vollgemachte Windel hat durchaus ihren Reiz. Aber statt sie zu wechseln, ziehe ich es vor, mit einem kalten Getränk im Park zu sitzen und den Mauerseglern beim Kreisen zuzuschauen – dachte ich jedenfalls bisher.
Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.
Eigentlich ist es aber so, dass mein Herz aufgeht, wenn ich eine Rotznase reinigen muss. Ich jubiliere, wenn der Brechschwall des dreijährigen Kindes die frisch gestrichene Wohnzimmerwand in einer Wucht trifft, die man diesem kleinen zierlichen Wesen überhaupt nicht zugetraut hätte. Ich liebe es, wenn der Sechsjährige am Sonnabend um fünf Uhr morgens auf den Schreibtisch klettert, um ins Ehebett zu springen und es dabei immer wieder schafft, exakt auf den Genitalien seiner Eltern aufzukommen. Ich kann ihm gar nicht böse sein, weil ich weiß, dass er damit unsere häufigen Besuche im Freibad spielerisch verarbeitet …
Meine jüngste Tochter hatte eine über mehrere Monate anhaltende Phase, in der sie kaum ein anderes Wort als »Kackawurst« sagte. Ich erinnere mich an einen speziellen Tag: Sie hatte gerade drei- bis viertausendmal das besagte Wort ausgesprochen. Dann wurde es 8.30 Uhr und ich weinte, als ich sie im Kindergarten abgeben musste. Nun würde ich sie im Büro für acht Stunden nicht sehen.
Aber nicht nur die Kinder machen den Haushalt zu dem Sehnsuchtsort, der er ist. Es sind auch die Wollmäuse, die Massen von nicht weggebrachten Pfandflaschen in der Küche, die Lebensmittelmottenplage, der Fugenschimmel oberhalb der Badewanne und das Matchbox-Auto hinter dem Wohnzimmerheizkörper, die ihn so einmalig machen. Die eingetrocknete Fruchtfliegenfalle, der Topf mit der eingegangenen Amaryllis, der Küchenstuhl mit der losen Lehne und der verstopfte Waschbeckenabfluss machen ihn gemütlich und lassen ihn Behaglichkeit ausstrahlen.
König eines jeden Familienhaushaltes ist die geschundene Waschmaschine, die dank einer Unwucht rastlos im Badezimmer umherwandert. Sie wäscht jeden Tag Wäsche, läuft dabei stupide von links nach rechts und wieder zurück und irgendwann gibt sie den Geist auf. Damit ist sie selbst das Sinnbild des Lebens einer guten Hausfrau. Kein Wunder, dass der Beruf der Hausfrau zum Traumjob wird. Mit diesen Worten möchte ich schließen, damit ich endlich das Nasenblut aus dem Kinderzimmerteppich reiben kann.
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