Jemen vor dem totalen Zusammenbruch

Zu Bürgerkrieg und ständigem saudi-arabischen Bombenterror kommt jetzt auch noch der Ausbruch de Cholera

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Ramadan hat begonnen, doch den Menschen in Jemen hat er keine Ruhe gebracht: Auch Anfang dieser Woche bombardierte die saudische Luftwaffe wieder Ziele im von den Huthi-Milizen kontrollierten Nordjemen, und wieder waren auch zivile Einrichtungen betroffen. Außerhalb von Sanaa griffen zudem Kämpfer des Islamischen Staats (IS) Dörfer mit Granaten und Maschinengewehren an, nachdem die Huthi-Milizen in der vergangenen Woche damit begonnen hatten, gegen die weitgehend im Verborgenen operierenden, meist aus dem Ausland stammenden Kämpfer vorzugehen. Zuvor hatte die Regierung von Abed Rabbo Mansur Hadi den Huthis nach mehreren IS-Anschlägen auf Regierungseinrichtungen vorgeworfen, mit dem IS zu kooperieren, dessen Ideologie von einem Großteil der jemenitischen Bevölkerung abgelehnt wird.

Zuverlässige Opferzahlen, erklärte Yahya al-Mawzai vom Roten Halbmond, könne derzeit niemand mehr nennen: »Die meisten Toten werden umgehend beerdigt, ohne dass sie für eine Statistik gezählt werden.« Eine schnelle Beerdigung sei schon deshalb notwendig, weil im Land mittlerweile eine Choleraepidemie ausgebrochen ist: »In der Sommerhitze kann man nicht stundenlang warten, bis der Krankenwagen kommt, zumal wir alle Kapazitäten für die Lebenden brauchen,« sagt Mawzai.

Denn mittlerweile leiden gut 20 der 28 Millionen Einwohner des Landes akuten Hunger, 50 000 Menschen sind mit der Cholera infiziert; mindestens 500 Personen sind mittlerweile daran gestorben. Die Konfliktparteien schieben sich derweil gegenseitig die Schuld daran zu.

Gleichzeitig betonen Sprecher der Regierung von Abed Rabbo Mansur Hadi, des saudi-arabischen Militärs, das Hadi durch Bombardements unterstützt und der Huthi-Milizen, die mit Beistand Irans gegen die Hadi-Regierung kämpfen, dass sie keinesfalls aufgeben werden: »Wir haben die Unterstützung des Volkes«, heißt es sowohl auf Seiten Hadis als auch der Huthis, die sich dabei auf die Massendemonstrationen berufen, die in den vergangenen Monaten mehrmals stattfanden.

Tatsächlich hatten die Menschen gegen Luftangriffe demonstriert, und nicht für die Huthis und gegen die Hadi-Regierung. Journalisten in Sanaa berichten, viele wendeten sich vom Huthi-Regime ab, das hohe Steuern erhebt, Minderjährige zum Kampf verpflichtet, und außerdem als korrupt gelte: »Man versorgt zuerst sich selbst, und dann die Bevölkerung«, berichtet ein Kollege.

»Frustrierend« sei die Situation, sagt Ismail Scheich Ould Ahmed, der mauretanische UNO-Sondergesandte für Jemen, der sich unablässig für Waffenstillstände und einen Friedensschluss einsetzt: »Die Bereitschaft zum Einlenken ist sehr gering, weil beide Seiten kein Vertrauen haben, dass sich die andere Seite an Vereinbarungen halten wird.« Deutlich wird das auch in Gesprächen mit Sprechern von Huthi-Milizen und Hadi-Regierung. Die Entscheidungen würden letzten Endes in Teheran im Fall der Huthis, oder in Riad im Fall der Hadi-Regierung, gefällt, heißt es stets.

Scheich Ould Ahmed setzt deshalb große Hoffnungen in die Wiederwahl von Präsident Hassan Ruhani in Iran, und die entspannenden Signale, die dieser in den vergangenen Wochen nach Riad gesendet hatte: »Dies könnte eine Möglichkeit sein, diesem Stellvertreterkrieg die Schärfe zu nehmen.«

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bot indes an, Deutschland könne eine Vermittlerrolle im Jemen-Krieg übernehmen, »auch weil wir bei den benachbarten Staaten als Gesprächspartner geschätzt werden,« sagte er vor einem Treffen mit Jemens offiziellem Außenminister Ahmed Ben Dagher vor zwei Wochen. Nach Angaben Gabriels hat die Bundesregierung in diesem Jahr 125 Millionen Euro an »humanitären Mitteln« für Jemen vorgesehen; Deutschland sei damit der drittgrößte Geldgeber. Allerdings ist es auch einer der bedeutendsten Rüstungsexporteure nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate, deren Armee ebenfalls am Jemen-Krieg beteiligt ist. Die Bundesregierung hat mehrmals erklärt, dass sie keinen Einfluss darauf hat, wie und wo die gelieferten Rüstungsgüter eingesetzt werden.

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