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Von Dieben und Gauklern

Volkmar Schöneburg über die Regierungspläne zur Strafrechtsverschärfung für Einbrecher

  • Volkmar Schöneburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Geht es nach dem Willen der Großen Koalition in Berlin, liegt zukünftig die Mindeststrafe für den Einbruch in eine Wohnung bei einem Jahr Gefängnis. Einen »minderschweren Fall«, der eine mildere Strafe ermöglicht, soll es nicht mehr geben. Ein dementsprechender Gesetzentwurf wurde auf den Weg gebracht. Die Protagonisten jubilieren, ihre Worte klingen martialisch. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Thomas Oppermann, formuliert: »Einbrecher werden mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft.« Es komme darauf an, »möglichst viele Einbrecher hinter Gitter zu bringen.« Sein CDU-Pendant, Volker Kauder, bezeichnet die Strafverschärfung »als Zeichen der Abschreckung«. Unbestritten ist, dass die Opfer von Wohnungseinbrüchen oft psychisch belastet sind, weil ihr Privatbereich verletzt wurde. Aber ist die Strafrechtsverschärfung das probate Mittel, um Abhilfe zu schaffen? Mitnichten. Zwei Argumente seien hier angeführt:

Erstens: Die Gesetzesänderung ist empirisch nicht veranlasst. 1993 betrug die Fallzahl knapp 230.000. Fünf Jahre später waren es noch 166.000 Fälle. Die aktuelle Kriminalstatistik weist 150.000 Wohnungseinbrüche für das Jahr 2016 aus, ein Rückgang zum Vorjahr um 9,5 Prozent. In Brandenburg waren es vor zwei Jahren 4.436 und im vergangenen Jahr 4.180 Einbrüche.

Zweitens: Die angestrebte Verschärfung ist auch nicht geeignet, die Fallzahlen zu verringern. Es ist nachgewiesen, dass der Rückgang in den 90er Jahren nicht etwa auf die schon einmal erfolgte Verschärfung des Straftatbestandes (1998) zurückzuführen ist, sondern auf eine allgemein verbesserte Sicherheitstechnik. Die Wissenschaft ist sich ziemlich einig, dass zwischen der Höhe der Strafandrohung und der Häufigkeit der jeweiligen Taten kein Zusammenhang besteht. Bestes Beispiel sind die USA, wo die Mord-Rate völlig unabhängig davon ist, ob im jeweiligen Bundesstaat die Todesstrafe gilt oder nicht. Verhaltenssteuernd für den Dieb wirkt da eher das Verhältnis von Entdeckungsrisiko und möglichem Gewinn.

Die Strafrechtsänderung hätte aber gravierende Folgen für das rechtsstaatliche Strafrecht. Die Streichung des minder schweren Falls zwingt das Gericht dazu, den Dieb, der aus einer Wohnung ein Glas Bockwürste stiehlt, mit einem Jahr Gefängnis zu bestrafen. Verfahrenseinstellungen sind in Bagatellfällen nicht mehr möglich. Selbst die Verabredung und die versuchte Anstiftung zu einem Einbruch wären strafbewährt. Damit werden Handlungen weit im Vorfeld kriminalisiert.

Einzelfallgerechtigkeit? Pustekuchen. Man fühlt sich an das Volkseigentumsschutzgesetz der DDR von 1952 erinnert, nach dem für den Diebstahl von Volkseigentum die Mindeststrafe auch ein Jahr Gefängnis betrug. Zudem stünde mit der Strafverschärfung der Wohnungseinbruchsdiebstahl, was die Mindeststrafe betrifft, auf einer Stufe mit solchen gewaltbehafteten Delikten wie Raub oder räuberische Erpressung. Auch für die schwere Brandstiftung, deren Folge das komplette Niederbrennen eines ganzen Wohngebäudes sein kann, wird die gleiche Mindeststrafe angedroht. Der Unterschied ist jedoch, dass es bei diesen Tatbeständen einen minderschweren Fall gibt, der dem Strafgericht ein Unterschreiten der Mindeststrafe erlaubt.

Was sind vor diesem Hintergrund die Ziele einer solchen aktionistischen Kriminalpolitik? Offensichtlich soll die Sanktionspraxis der Gerichte verschärft werden. Das Stehlen aus einer Wohnung soll nicht mehr mit Bewährungs- oder Geldstrafe geahndet werden. Einbrecher in den Knast, ist die populistische Devise. Die Botschaft an die Bürger lautet: Die Sicherheit nehme zu, wenn der Einbruch härter bestraft wird. Der Staat tut etwas, setzt ein Zeichen und zeigt Handlungsfähigkeit. Damit wird den Bürgern etwas vorgegaukelt. Denn die Strafrechtsverschärfung wird in der Sache nichts bewegen. Weder werden die Diebe abgeschreckt, noch werden die Freiheitsstrafen eine messbare Resozialisierungswirkung entfalten. Der Ruf nach härteren Strafen ist reine Symbolpolitik und Wahlkampfrhetorik zu Lasten des rechtsstaatlichen Strafrechts, das zur Beschwichtigung der verunsicherten Bürger beliebig instrumentalisiert wird. Hier wird ein weiteres Mal die Rechtssicherheit zugunsten einer »Gefühlspolitik« unterlaufen.

Der Autor ist Jurist und war von 2009 bis zu seinem Rücktritt 2013 Justizminister des Landes Brandenburg. Seit 2014 ist er Abgeordneter des brandenburgischen Landtags.

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