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Kommunikation ist Glückssache

Keine strukturelle Lösung: Behördenmitarbeiter schulen Sprachfähigkeiten selbst

  • Theresa Münch und Dörthe Hein
  • Lesedauer: 3 Min.

Termine vereinbaren, Formulare ausfüllen, Behördengänge - wer die deutsche Sprache nicht gut beherrscht, hat es meist schwer. Gerade in Kleinstädten können Ämter Mehrsprachigkeit häufig nicht garantieren. »Amtssprache ist deutsch«, heißt es einhellig aus den Ämtern.

In Sachsen-Anhalt etwa haben viele Kommunen zwar Behördenwegweiser oder Formulare übersetzen lassen oder ihren Mitarbeitern Englisch-Kurse angeboten. Mehrsprachige Serviceleistungen aber gibt es kaum. Die Verwaltungen verweisen darauf, dass die meisten Zugewanderten ohne ausreichende Deutschkenntnisse ohnehin einen Dolmetscher mitbrächten. Wie viel Bedarf an sprachlicher Unterstützung und Begleitung es gebe, zeigt die rege Nachfrage beim Sprachmittler-Projekt des Migrantennetzwerks. Im vergangenen Jahr habe es mehr als 1200 Anrufe bei der Hotline gegeben, um bei Verständigungsproblemen zu helfen.

Viele Behörden-Mitarbeiter hätten zwar Englisch-Kurse absolviert, seien aber bei weitem nicht vertragssicher, so Mamad Mohamad, Geschäftsführer des Landesnetzwerks Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt. Vielfach komme es zu Missverständnissen, so Mohamad. Niemand stelle die Amtssprache Deutsch infrage. Wichtig sei aber, die Prozesse in den Kommunen zu verkürzen. Laut Mohamad gibt es so gut wie keine Behördenmitarbeiter mit Migrationshintergrund.

Das ist in der Bundeshauptstadt anders. In Berlin ist Englisch kaum ein Problem. Nur wenige der zwölf Berliner Bezirke schicken ihre Mitarbeiter gezielt zu Sprachkursen. Stattdessen profitieren Ordnungs- und Bürgerämter von Berlins Internationalität - und setzen auf Kollegen mit ausländischen Wurzeln und Muttersprachen. Mit ein wenig Glück bekommt man so auch auf Vietnamesisch, Arabisch, Rumänisch, Kroatisch und Türkisch Beratung oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen. Systematische Angebote in diesen Sprachen sind aber selten. Schriftliches Informationsmaterial dagegen gibt es teils in 19 Sprachen.

In Thüringen gibt es nach wie vor hohe Sprachbarrieren - obwohl der Bedarf an ehrenamtlichen Dolmetschern abnimmt. »Aktuell haben wir thüringenweit pro Woche etwa zwei bis drei Anfragen in unserer Dolmetscherbörse«, sagte die Geschäftsleiterin des Zentrums für Integration und Migration (ZIM), Beate Tröster. »Das entspricht in etwa der Zeit vor 2016.« Viele Behörden hätten Wege gefunden, im Umgang mit Geflüchteten Sprachbarrieren zu überwinden.

Dennoch berufen sich die Kommunen bei der Frage nach ihrer Fremdsprachenkompetenz zunächst auf die Gesetzeslage. »Grundsätzlich gilt: Amtssprache ist Deutsch«, teilten etwa der Wartburgkreis und der Kreis Gotha mit. Die Lage ist aber differenzierter. So haben die Mitarbeiter der Stadt Weimar freiwillig einen Englischkurs besucht, zwei Sachbearbeiterinnen lernten zudem Türkisch und Arabisch. Auch der Weimarer Ausländerbeauftragte spreche Arabisch, so ein Stadtsprecher.

Insgesamt 16 Sprachen werden von den Mitarbeitern der Verwaltung im Wartburgkreis gesprochen, von Grundkenntnissen bis zu Muttersprachlern. Ein Mitarbeiter im Versorgungsamt kann in Ausnahmefällen auf Arabisch aushelfen.

In anderen Kommunen gibt es deutlich weniger sprachbegabte Mitarbeiter. Dass von Migranten Deutschkenntnisse erwartet werden, sei im Prinzip der richtige Weg, findet Beate Tröster. »Wenn die ersten Integrations- und Deutschkurse absolviert sind, sollte schon Deutsch gesprochen werden. Wenn man das nicht einfordert, kann auch nichts passieren.« Wichtig für die erfolgreiche Kommunikation sei aber, dass sich beide Seiten Mühe geben. »Deutsche reden oft zu schnell, sind zu ungeduldig oder sprechen Dialekt. Wer die Sprache erst lernt, ist da schnell überfordert.« Denn das lupenreine Hochdeutsch der Kurse sprächen nur wenige Thüringer. »Immer wieder kommen Leute zu mir, die verzweifelt fragen, wo sie Alltagsdeutsch lernen können, weil sie etwa beim Einkaufen kaum etwas verstehen. Das Gleiche gilt für Behördendeutsch.«

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