Bodyguards auf vier Pfoten

Schäfer verschmähen allerdings die Förderung für Schutzhunde

  • Annette Schneider-Solis, Kloster Neuendorf
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist unmöglich, sich der Koppel bei Kloster Neuendorf in Sachsen-Anhalt unbemerkt zu nähern. Drei ausgewachsene Pyrenäenberghunde und mehrere Welpen patrouillieren laut bellend hinterm Zaun und lassen Fremde nicht aus den Augen. Als Dirk Strathausen den Zaun öffnet, sind sie ruhig, drängen sich dem Schäfer entgegen, wollen gestreichelt werden. Die Hunde sollen künftig die 500 Mutterschafe, die Lämmer und die Herde mit Zuchtböcken bewachen.

In der benachbarten Colbitz-Letzlinger Heide leben Wölfe, und auch Dirk Strathausen hatte schon Besuch von ihnen. Seit er Herdenschutzhunde einsetzt, hat er Ruhe. »Vor drei Jahren habe ich den Rüden gekauft«, sagte Strathausen und zeigt auf das helle Tier. »Im vergangenen Jahr kamen die beiden Hündinnen hinzu und nun 17 Welpen.« Groß wie ein Schaf, mit ausgeprägtem Revierverhalten, sollen die Pyrenäenberghunde Wölfe mit ihrer Größe und lautem Gebell verjagen. »Wölfe gehen der Konfrontation aus dem Weg«, sagt Strathausen.

Im Frühjahr hat Sachsen-Anhalt ein Wolfspaket geschnürt. Seitdem wird der Kauf von Herdenschutzhunden der Rassen Pyrenäenberghund und Maremmano Abruzzese bezuschusst. Strathausen und viele seiner Kollegen hätten sich lieber Zuschüsse zu den Haltungskosten gewünscht. »So ein großer Hund braucht locker 1000 Euro im Jahr allein für Futter«, rechnet Strathausen vor. Viele Schäfer fürchten, dass die Bezuschussung der Kaufkosten die Preise weiter in die Höhe treibt. Schon jetzt verlangen Anbieter zum Teil 4000 bis 5000 Euro für einen Herdenschutzhund. Auch dass die Förderung auf zwei Rassen beschränkt ist, bedauern die Weidetierhalter. »Das größte Problem ist, dass es ausgebildete Herdenschutzhunde gar nicht gibt. Man kann nur Welpen kaufen, die man zu den Schafen setzt. Bis sich beide Seiten aneinander gewöhnt haben, vergeht viel Zeit. Wer sich jetzt erst einen Hund anschafft, ist zu spät dran«, so Strathausen.

Er kennt keinen Schäfer in Sachsen-Anhalt, der die Förderung in Anspruch nehmen will. Viele hätten bereits vor Verabschiedung der Regelung gekauft und gehen leer aus. Andere wollten keine der beiden förderfähigen Rassen. Schließlich wird das Geld auf die 15 000 Euro angerechnet, die einem Schäfer innerhalb von drei Jahren maximal gezahlt werden können. Darin enthalten ist auch Geld für Zäune, aber auch Entschädigungen nach Rissen.

Tatsächlich liegt dem Landwirtschaftsministerium bisher kein Antrag auf Förderung von Herdenschutzhunden vor, bestätigt Jenny Schwarz. »Wir kennen das Problem«, erklärt die Sprecherin. »Derzeit erarbeiten wir eine Förderrichtlinie.« Die soll Entschädigungen auch dann ermöglichen, wenn die 15 000 Euro ausgeschöpft sind. Das sei allerdings nicht einfach, weil die EU generell für landwirtschaftliche Betriebe nur eine Förderung in dieser Höhe erlaube. Deshalb müsse die Richtlinie von der EU genehmigt werden.

Seit der Rückkehr der Wölfe werden in Sachsen-Anhalt mehr Weidetiere getötet. Waren es 2011 bei drei Zwischenfällen noch 34 Weidetiere, so wurden 2016 nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums bei 44 Vorfällen 144 Tiere gerissen. In diesem Jahr wurden bis Mitte Mai bereits 41 Vorfälle mit über 80 gerissenen Schafen, Rindern, einem Fohlen und Gehegewild gezählt, bei denen der Wolf zugeschlagen hat oder möglicherweise Verursacher war.

Die Welpen auf der Koppel bei Gardelegen sind fünf Monate alt. Einige hat Schäfer Strathausen zum Selbstkostenpreis an Kollegen abgegeben. »4000 Euro für einen Hund kann kein Schäfer bezahlen«, schimpft er. Ein Geschäft will er aus der Zucht nicht machen und seine Hündinnen erst wieder decken lassen, wenn er selbst Nachwuchs braucht.

In den nächsten Tagen werden die Hunde zu den Schafen umziehen. Dirk Strathausen hofft, dass das reibungslos funktioniert. Für einen seiner Welpen musste er schon eine andere Aufgabe suchen, weil er nachts Lämmer gehetzt hat. Was für den jungen Hund ein unterhaltsames Spiel war, endete für die jungen Schafe tödlich. Doch die anderen Hunde, glaubt der Schäfer, werden ihren Job ordentlich machen. dpa/nd

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