Trumps Botschaft ist seit Jahrzehnten die gleiche

Brendan Simms und Charlie Laderman sind der Ansicht: »Wir hätten gewarnt sein können«

  • Lesedauer: 4 Min.

Mister Simms, Sie und Ihr Kollege Charlie Laderman haben Ihrem Buch über Donald Trump den Titel gegeben »Wir hätten gewarnt sein können«. Wovor genau?

Wir haben uns viele politische Stellungnahmen Trumps aus den letzten 35 Jahren angesehen und eine verblüffende Kontinuität seines Populismus feststellen können. Sie besteht aus zwei Komponenten: Nationalismus und sozialen Versprechen. Beides hängt miteinander zusammen. Trumps Nationalismus geht davon aus, dass die Verbündeten für den militärischen Schutz, den ihnen die USA bietet, nichts bezahlen, dass sie den Schutzpatron im Gegenteil im Handel übervorteilen. Diese Kosten, forderte Washington sie ein, könnten den Arbeitern und Farmern der USA ein besseres Leben ermöglichen. Es könnten mit dem Geld Straßen und Schulen gebaut werden. Die USA könnten dann - wie Trump sagt - den Status eines Entwicklungslandes verlassen. Er greift soziale Missstände und Defizite der Infrastruktur geschickt auf und fordert die Kosten dafür von den Verbündeten und den Handelspartnern ein. Die bisherigen Präsidenten der USA seien zu dumm gewesen, hätten keine Führung gezeigt.

Die sozialen Versprechungen wären gut, wenn sie nicht purer Populismus wie andernorts wären. Marine Le Pen eroberte damit ebenso Stimmen wie die AfD in Deutschland. Erinnert das nicht auch an Hitler, vor dem so manche gewarnt hatten?

Nein! Die Kombination von Nationalismus und sozialen Versprechen bei Trump ist nicht mit »Nationalsozialismus« gleichzusetzen. Trump ist in einer Demokratie großgeworden und ist Bestandteil dieser Demokratie. Er hat sicher nicht vor, eine faschistische Diktatur zu errichten. Er verfolgt seine Ziele innerhalb der amerikanischen Demokratie, deren Institutionen ja funktionieren, deren Gerichte funktionieren und deren Kongress Trump nicht in jedem seiner Schritte folgt. Aber: Je mehr er innenpolitisch ausgebremst wird, desto stärker verlegt sich sein populistischer Aktivismus auf die Außenpolitik. Die haben wir unserem Buch besonders untersucht.

In die Außenpolitik hat sich der Wirtschaftsmogul schon lange vor seiner den Präsidentschaftswahl eingemischt, schreiben Sie.

Ja, wir waren überrascht, dass Trump seit über 30 Jahren immer wieder und sehr medienwirksam die amerikanische Öffentlichkeit angesprochen hat. Es ist, also ob er seit Jahrzehnten in einem permanenten Wahlkampf stand, obwohl er erst jetzt als Kandidat angetreten und dann auch gewählt worden ist. Und seine Botschaft ist immer gleich: Die Welt lacht über Amerika, seine Präsidenten sind unfähig und können nicht verhandeln, sie lassen sich auf der Nase herumtanzen und verschleudern den Reichtum Amerikas, der im Land fehlt, um sozialen und gesellschaftlichen Reichtum zu erzielen.

Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert. Und Trumps Ansichten nicht?

In seinen Grundüberzeugungen bleibt er konstant. Im Detail passt er seine Aussagen den veränderten Bedingungen an. War es am Anfang vor allem Japan, das angeblich mit seinen billigen Waren den amerikanischen Markt überschwemmt habe und sich praktisch kostenlos von den USA militärisch beschützen lasse - was übrigens nicht stimmt, denn Japan hat viel dafür bezahlt -, so richtet sich der Vorwurf, unzulässige Handelsvorteile gegenüber den USA zu ziehen, jetzt gegen China. Gegenüber dem Ölkartell der OPEC ist seine Haltung gleich geblieben, wegen des stark gesunkenen Ölpreises aber weniger aggressiv. Gegenüber Iran besteht seine aggressive Ablehnung ungeachtet aller Veränderungen dort nach wie vor. Die NATO hält er für ein Subventionsgrab, wenn die europäischen Partner nicht mehr für ihre Verteidigung ausgeben. Putin bewundert er und die Annexion der Krim einen Tag nach Beendigung der Olympischen Spiele in Sotschi hält er für einen genialen Schachzug des Staatsmannes Putin.

Große Konzerne sollen den Wahlkampf von Trump finanziert haben. Stimmt das?

Vielleicht, jedenfalls aber weniger als sie Hillary Clinton unterstützt haben. Und Trumps Wahlkampf hat weniger gekostet als der seiner Gegnerin. Er brauchte auch weniger für seine Medienpräsenz auszugeben, die Zeitungen und Fernsehstationen kamen zu ihm und wollten seine Statements hören. Sie waren zwar überwiegend gegen ihn eingestellt, verschafften ihm aber - kostenlose - Auftritte.

Ähnliches ist bei Le Pen oder Pegida und der AfD zu beobachten.

Ja, es ist überall dasselbe. Die Medien verschaffen der Sensation, die sie eigentlich ablehnen, überproportionale Aufmerksamkeit und erreichen mit dem so transportierten Populismus breite Schichten der Bevölkerung.

Zum Abschluss noch ein Wort von Ihnen, einem gebürtigen Iren, zum Brexit und zu Europa.

Ich denke, Europa muss vertieft werden, es muss also mehr und nicht weniger Europa sein. Da hätte das UK dann vielleicht nicht mehr mitmachen können. Aber das wäre der richtigere Zeitpunkt für eine Trennung gewesen, die ich von Herzen bedauere. Wenn auch Europa den Austritt Großbritanniens bedauert und fast die Hälfte der Briten ihn nicht wollten, dann sollte das Verhältnis nach dem Brexit so eng und so gut wie möglich sein. Beide Seiten sollten keinen »harten Brexit« anstreben und auch ihre Rhetorik mäßigen, wie es sich unter Freunden gehört.

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