Mehr Kontextualität, bitte!

Lena Tietgen findet, dass das Studium generale reformiert werden muss

  • Lesedauer: 2 Min.

Über die Jahrhunderte erwies sich das Studium generale als anpassungsfähig, bedient es doch den Wunsch nach einer Bildung an sich, die nicht nur zweckorientiert ist. Mit der Zeit unterlag es notwendigen und gesellschaftlich bedingten Veränderungen. So verlor in der Neuzeit die Kirche Bindungskraft, da mit der Aufklärung der selbst denkende und sich selbst bildende Mensch in den Fokus rückte. Zudem erschöpfte sich die Bindung an den theologischen Kanon selbst. Je mehr Bildungsbedarf bestand, desto mehr Menschen wurden in das Bildungssystem einbezogen. Mehr Geister erzeugen mehr Fragen, mehr Ideen; Kanonbildung wurde zunehmend weltlich. Erinnert sei an Wilhelm von Humboldts kritische Gedanken zur Rolle des absolutistischen Staats bei der Bildung. Als Wissenschaft der Wissenschaft wurde dann der Philosophie die prägende Erkenntnis zugeschrieben. Bis auch diese mit der Vormachtstellung des Kapitalismus an Bindungsmächtigkeit verlor. Seitdem kam es zur Ausdifferenzierung und Spezialisierung von Einzelwissenschaften wie zum Beispiel der Soziologie und der Psychologie.

In dieser Situation bot Carl Friedrich von Weizsäcker mit seinem Studium generale kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eine Unterweisung in kontextuellem Denken an. Das war revolutionär und beliebt. Trotzdem und trotz Ludwig Wittgenstein, dem Ideengeber kontextueller Erkenntnistheorie, sind kontextuelle Studienkonzeptionen nach wie vor im deutschen Studienwesen selten. Dabei ist unsere Welt massiv ausdifferenziert. Kanonbildung erschöpft sich erneut, diesmal unsere weltliche, wissenschaftliche. Ein Studium generale lediglich als Zusatz eines ansonsten fakultätsorientierten Studiums reicht nicht mehr aus. Erfahrungen mit ihm können aber Ideengeber sein.

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