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Zum Tod Helmut Kohls

Internationale Presse

  • Lesedauer: 3 Min.

Dennik N, Slowakei

Verknüpfte Träume

Alle wissen, dass Kohl der Vater des wiedervereinten Deutschlands war. Es sollte aber nicht übersehen werden, dass er sich dieses Deutschland immer als festen Teil eines neuen, demokratisch vereinten Europas wünschte. Für die Erfüllung dieser seiner beiden eng miteinander verknüpften Träume war er bereit, sehr viel zu opfern und zu riskieren.

Le Monde, Frankreich

Ein Meisterstück

Nichts bestimmte den katholischen Konservativen aus dem Rheinland vorher, die Wiedervereinigung einer Nation zu führen, die aufgrund der Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg gespalten war. Diese Wiedervereinigung erscheint heute als historisch folgerichtig. Sie zog allerdings derartige politische Risiken und derartige wirtschaftliche Kosten nach sich, dass sie nur von einem wirklichen Staatsmann gesteuert werden konnte. Kanzler Kohl ist in die Geschichte eingegangen, weil er ein Meisterstück schaffte: Deutschland aufzubauen, ohne Europa aufzulösen.

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz

Helfer wider Willen

Die Prägung durch die Ära Kohl und vor allem durch Kohl selbst war seit der Abwahl und dem Rückzug des früheren Kanzlers vom Anstrich der Berliner Republik ein wenig überdeckt. In der eigenen Partei, der CDU, wurde allenfalls bei Jahrestagen und Jubiläumsfeiern seiner Leistungen gedacht. Im politischen Alltag fiel sein Name selten. Mit dem Ende seines politischen Wirkens brach zugleich die Berliner Republik an. Sie wurde in der ersten Phase von Rot-Grün geprägt und auch von einem bewussten Gegensatz zur Bonner Vergangenheit und zur Ära des »Kanzlers der Einheit«.

Dem, was jetzt in den Erinnerungen der in den Siebzigern und Achtzigern groß Gewordenen aufscheint: die Reibung mit dem angeblichen Mief, der Provinz, des Klüngels, setzten Gerhard Schröders Sozialdemokraten und viel mehr noch die Grünen mit Joschka Fischer und Jürgen Trittin ihren Gesellschaftsentwurf entgegen. Ohne Kohl wäre dieser aber nicht denkbar gewesen. Die Grünen wurden als selbst ernannte Antipoden dieser bürgerlichen Welt, als Rebellen und politische Rabauken, zu dem, was sie 1998 auf Bundesebene an die Macht brachte. Kohl war ein Helfer dieser bundesrepublikanischen Zeitumstellung, wenngleich wider Willen.

Tages-Anzeiger, Schweiz

Das System Kohl

Ohne Kohls Europa-Begeisterung hätte es wohl auch keine deutsche Einheit gegeben. Denn die Wiedervereinigung Deutschlands und das Zusammenrücken Europas waren für ihn stets »zwei Seiten einer Medaille«. Das verhinderte nicht, dass Kohl im Ausland meist mehr geschätzt wurde als daheim. Warum? Wohl deshalb, weil der nette Strickjackenträger aus Germany bei sich zu Hause ein System eingerichtet hatte, das viele als muffig empfanden, als patriarchalisch. Das System Kohl eben.

Guardian, Großbritannien

Eiserner Kanzler

Oberflächlich betrachtet und abgesehen vom Körperumfang hält Kohl Vergleichen mit Otto von Bismarck stand. Kohl mag sich von Bismarck so sehr unterschieden haben wie Bonn von Berlin. Aber er war ebenso sehr ein Eiserner Kanzler, eisern hinsichtlich seiner Ausdauer, unerschütterlich in seinem Selbstvertrauen. Der Autor mehrerer Bücher, darunter Memoiren, der einst als Helmut II. verspottet wurde, weil er so viel glanzloser war als Helmut I., also Helmut Schmidt, bekommt auch in den Geschichtsbüchern seine Rache: Es war Kohl, nicht Schmidt, der bereitstand, als der Zug zur deutschen Wiedervereinigung vorbeirollte.

Die Presse, Österreich

Den Kalten Krieg beendet

Helmut Kohl überwand mit seiner Zuwendung zu François Mitterrand endgültig die deutsch-französische Rivalität und schuf mit seiner Generation an Staatsführern die heute selbstverständliche Friedensunion. Die Einigung Deutschlands, die Kohl den alliierten Gegenspielern abringen konnte, beendete den Kalten Krieg nicht nur symbolisch.

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