Halt auf halber Strecke
Eine US-Theaterstudie liefert Christian Baron mehr Fragen als Antworten
Erschiene dieser Text in einer Boulevardzeitung, dann ginge die Leitfrage so: Muss die Theatergeschichte umgeschrieben werden? Drunter macht es die Dreckschleuderjournallie ja nicht, wenn es darum geht, bei der Wahrheitssuche auf halber Strecke stehen zu bleiben. Ein Teil des liberalen - in Deutschland würde man sagen: toleranten - US-Kulturbetriebs agiert derzeit genau so. Eine Studie der Theatergewerkschaft »Actor’s Equitiy« hat herausgefunden, dass weiße, männliche Schauspieler mehr Geld verdienen und häufiger Hauptrollen erhalten als nicht-weiße und weibliche Kollegen.
Diese Tatsachen sind alt. Warum sich daran nichts ändert, das erklären auch Äußerungen wie die von »Equity«-Vertreterin Mary McColl: »Viele Stücke aus dem Theaterkanon sehen Hauptrollen eher für Männer vor. Wenn sich People of Color nicht auf der Bühne repräsentiert sehen - wie lange wird das Theater dann noch relevant bleiben?« Das wirft selbst Fragen auf: Wenn Schwarze öfter Hauptrollen besetzen, endet dann die viel tiefer liegende, weil strukturelle Ungleichheit beim Zugang zu diesem Beruf? Ist es Aufgabe der Kunst, Gerechtigkeit herzustellen? Verbieten die Liberalen bald Shakespeare? Zugegeben, die letzte Frage ist unfair. Sie symbolisiert aber ein weiteres Problem. Denn wer platt argumentiert, beliefert jene Gossenpresse, die so gern über weltfremde »Gutmenschen« herzieht.
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