Abschied von Frankreichs letztem Fußballromantiker

Louis Nicollin, legendärer Präsident des Montpellier Hérault Sporting Club, verstarb im Alter von 74 Jahren

  • Julien Duez
  • Lesedauer: 3 Min.

Der vergangene Donnerstag war ein schwarzer Tag für den französischen Fußball. Am Abend, hatte der Montpellier Hérault Sporting Club (MHSC) mitgeteilt, dass sein legendärer Präsident Louis Nicollin nicht mehr lebt. »Loulou«, wie alle ihn nannten, starb an einem Herzinfarkt in einem Restaurant in Südfrankreich - am Tag seines 74. Geburtstages. »Mir würde es gefallen, bis zu meinem 74. Geburtstag zu leben, denn der MHSC wurde 1974 gegründet«, sagte er einmal. Kaum zu glauben, dass sich sein letzter Wille so präzise erfüllt hat.

Louis Nicollin ließ keinen im französischen Fußball kalt. Überall im Land wurde in den vergangenen Tagen an ihn erinnert. Der Sohn eines Müllabfuhrunternehmers aus Lyon galt als letzter Mohikaner des romantischen Fußballs.

Als Nicollin 15 Jahre alt wurde, ließ ihn sein Vater im Sommer mit den Müllmännern arbeiten. Er sammelte Erfahrungen, die ihn für sein Leben geprägt haben. Später übernahm er auf Wunsch seines Vaters auch die Leitung des Familienbetriebs. So wurde Loulou Direktor der Groupe Nicollin. Später machten seine Söhne Olivier und Laurent weiter.

Als Nicollin 1974 Präsident des MHSC wurde, spielte der Klub noch in der regionalen Liga. Nach einer Fusion ging es immer weiter bergauf. Auch Jahre später war Montpellier in der ersten Liga angekommen. Der sportbegeisterte Nicollin unterstützte auch Rugby, Basketball, Handball und sogar Stierrennen und Fischerstechen. Ihm gehörte eine der größten Fußballtrikotsammlung der Welt mit nicht weniger als 4500 Stück. Parallel entwickelte er seinen Betrieb weiter - mit Umsätzen von 300 Millionen Euro und 5000 Beschäftigten.

In die Herzen der Franzosen hat er es aber vor allem durch den Fußball geschafft. In Montpellier spielte man immer nur mit dem Geld eines einzigen Aktionärs: Louis Nicollin. Dementsprechend liegt der Etat des MHSC weit unter denen der Großen aus Paris, Lyon, Marseille oder Bordeaux. Aber der Kader wurde meist klug zusammengestellt - mit günstigen Spielern und Talenten, die später teuer verkauft werden konnten.

Dieses Modell wurde in Frankreich oft gelobt - ganz besonders aber im Jahr 2012, nach dem ersten und bislang einzigen Erstligatitel. Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte wurde mit später berühmten Spielern wie Olivier Giroud (heute Arsenal London), Younes Belhanda (heute Galatasaray Istanbul) oder Rémy Cabella (heute Olympique Marseille) erreicht. Montpellier wurde mit drei Punkten Vorsprung Meister vor Paris Saint-Germain mit Trainer Carlo Ancelotti.

In Frankreich mag man es, wenn die Kleinen gewinnen. Und Louis Nicollin verkörperte das Bild eines einfachen, aber erfolgreichen Mannes: Äußerlichkeiten waren ihm nicht wichtig, seine Sprache war direkt und hart. Er war ein Provinzpatriarch, der keine Angst hatte, gegen Konventionen zu verstoßen. Manchmal, ohne zu merken, dass er die Grenzen überschritt. Wie am 31. Oktober 2009, als er Auxerres Mittelfeldspieler Benoit Pedretti als Schwuchtel beschimpfte. Direkt danach entschuldigte er sich, nahm sogar an einer Kampagne gegen Homophobie teil.

Mehrere Kontrollverluste dieser Art haben eine noch breitere gesellschaftliche Akzeptanz verhindert. Aber dennoch hat sein Tod eine große Emotionswelle in Frankreich ausgelöst. Mit ihm ist der letzte altmodische Fußballfunktionär aus der Ligue 1 verschwunden. Jetzt gibt es nur noch Schnellgeld-Künstler, die meist aus dem Ausland stammen und keine wirkliche Beziehung zu ihren Vereinen haben.

In Montpelliers ist man besonders stolz auf ihn - und will ihm ein Denkmal setzen. Der geplante Stadionneubau soll seinen Namen tragen. »Es wird nach Louis Nicollin benannt werden«, schwor Oberbürgermeister Philippe Samuel.

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