Nicht alles, was fliegt, ist interkontinental

Statt in Asien weitere Raketenprovokationen zu starten, wären Rüstungskontrollvereinbarungen notwendig

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer sich die staatlichen TV-Nachrichten aus Pjöngjang zueigen macht, ist selbst schuld oder verfolgt eine keineswegs entspannungsfreundliche Absicht. So ist das auch mir der Meldung über den angeblich ersten erfolgreichen Test einer Interkontinentalrakete. Das Geschoss vom Typ »Hwasong-14« habe eine Höhe von 2800 Kilometern erreicht und sein Ziel nach 39 Minuten Flugzeit präzise getroffen. Nicht zuletzt deshalb, weil Machthaber Kim Jong Un den Test persönlich überwachte.

Das Verteidigungsministerium in Japan teilte dagegen mit, die Rakete sei 900 Kilometer weit geflogen. Dabei habe sie eine Höhe von über 2500 Kilometern erreicht. Vom russischen Militär hörte man dagegen, dass die Rakete nur eine Höhe von 535 Kilometer erreicht habe und etwa 510 Kilometer weit geflogen sei.

So unterschiedlich die Daten auch sind, klar ist: Es handelte sich keinesfalls um eine militärisch nutzbare Großtat von Wissenschaft und Technik. Nordkorea verfügt über mehr Raketentypen als alle anderen Länder. Es sind zumeist Nachbauten sowjetischer oder chinesischer Waffen. Der Trick der »Neuentwicklungen« ist simpel: Die Raketen werden immer mit neuen Bezeichnungen versehen und stets von anderen Orten aus abgefeuert. So ist es für Analysten schwer, die Flugeigenschaften zu vergleichen. Wollten Kims Wissenschaftler wirklich neue Waffen testen, so würden sie sie gerade aus diesem Grund stets vom selben Testgelände aus starten. Auch hat Nordkorea vermutlich bislang noch keinen Test absolviert, bei dem eine Rakete geordnet in die Atmosphäre zurückkehrt - was für eine Interkontinentalrakete wichtig wäre, wenn sie eine Sprengkopf ins Ziel bringen soll. Auch ist es fraglich, wie weit Nordkorea bei einer notwendigen Miniaturisierung seiner atomaren Sprengköpfe gekommen ist.

Unfug ist aber auch Pjöngjangs Behauptung, man habe erstmals eine Interkontinentalraketen getestet. Sicher ist, das Land verfügt mindestens über zwei Typen: Taepodong-2 und KN-08. Die erste brachte - als Unha-3 - 2016 vermutlich sogar einen Satelliten ins All. Was in Kims Nachrichtensendung gleichfalls bejubelt worden war. So man den nordkoreanischen Informationen überhaupt glauben kann, hatte man erst im Mai 2017 eine Modifikation der KN-08 getestet. Bis zu einer militärischen Nutzung ist es noch weit. Und selbst wenn jemand in Pjöngjang so etwas vor hat, würden die Startvorbereitungen nicht verborgen bleiben. Die dauern Tage.

Wichtiger als Propagandageheul und Panikmache wären Bemühungen, um endlich zu einem asiatischen Rüstungskontrollabkommen und damit zu mehr gegenseitigem Vertrauen zu kommen. Beides fehlt in der höchst fragilen Region. Woraus die USA eine besondere Schutzpflicht für Verbündete ableiten.

Als sich der Kalte Krieg in Europa dem Ende näherte und noch bevor sich ein Militärblock auflöste, waren auch in Deutschland zahlreiche nord- und vor allem südkoreanische Delegationen unterwegs, die sich über Methoden zur Spannungsminderung informierten. Doch alle Hoffnungen zerstoben, die Konfrontation in Asien nahm zu. Nicht zuletzt weil China und die USA kein Interesse an einem Ausgleich haben. Den man dann freilich auch nicht von Nord- und Südkorea erwarten kann.

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