Erblast
Florian Haenes über westdeutschen Nachkriegswohlstand
Geschichtliche Ungleichheit lässt sich vererben. Jene, die in der Bundesrepublik in den Nachkriegsjahrzehnten zu Wohlstand gelangt sind, übertragen in diesen Jahren ihr Vermögen an ihre Nachkommen. Wenn es keine tiefgreifende Reform der Erbschaftsteuer gibt - wird sich dann nicht eine Wohlstandsaristokratie verfestigen, die tendenziell westdeutsch ist und weiß? Denn nicht zu Wohlstand gelangt sind in jener Zeit Gastarbeiter, die an Fließbändern arbeiteten und Akkordlohn erhielten, ihre Kinder erben heute wenig. Ebenso nicht zu Wohlstand gelangt sind die meisten Bürger der DDR, auch ihre Kinder erben wenig.
Nun ist historische Gerechtigkeit ein heikles Thema. Über die Frage, wann ungleiche Startbedingungen im Zeitenlauf beglichen sind, wird man sich kaum einig werden. Auch sind die Fallstricke der Identitätspolitik, in der Gruppen durch Klagen über erlittene Ungerechtigkeit sich Vorteile im Wettbewerb um gesellschaftliche Positionen erhoffen, augenscheinlich: Man blicke auf die USA, wo das Gemeinwesen zersplittert, weil sich die öffentliche Debatte im banalen Zwist erschöpft, wer am meisten Grund zum Jammern hat - Homosexuelle, Afroamerikaner, Frauen oder doch: weiße Männer.
Doch sollte man deshalb verschweigen, dass die derzeitige Erbschaftsteuer die Chancen der Nachkommen von Gastarbeitern schmälert und die Annäherung von alten und neuen Bundesländern erschwert? Sicher nicht, denn gerade hier erodiert die Gesellschaft.
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