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Die AfD als der natürliche Partner der Union
Christian Klemm über eine mögliche Koalition zwischen Konservativen und Rechten
Die schwarz-rote Bundesregierung war von Anfang an keine Liebesheirat, sondern mehr eine Zwangsehe, um eine bürgerliche Koalition jenseits der AfD zu bilden. Und so verhalten sich die Eheleute auch: Ob bei der Rente, beim Bürgergeld oder der Wahl der Verfassungsrichter – ständig fliegen im Streit Teller und Tassen durch die gemeinsame Wohnung. Für Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Mannschaft im Bundestag sind die Sozialdemokraten ein Klotz am Bein, ein Hindernis, die Bundesrepublik nach ihrem Gusto zu reformieren. Tief im Inneren wissen beide: Der eigentliche CDU-Wunschpartner ist die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla. Denn die Union hat nicht nur Gemeinsamkeiten in der Migrationspolitik mit der AfD.
Beispiel Bürgergeld. Für die AfD ist der Regelsatz für eine alleinstehende Person von 563 Euro im Monat zu hoch. Zudem plädiert die Partei für härtere Sanktionen, wenn sich ein Betroffener den Aufforderungen der Arbeitsagentur widersetzt. Wenn nach sechs Monaten noch immer kein Job angetreten wurde, muss der Arbeitssuchende zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden können. Wer eine Arbeitsleistung verweigere, dem können Leistungen komplett gestrichen werden, hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter klargemacht. Auffassungen, die auch Merz oder oder sein Fraktionschef im Bundestag Jens Spahn so oder so ähnlich vertreten.
Beispiel Rente. Die Unionsparteien haben kürzlich der Stabilisierung der Rente auf dem 48-Prozent-Niveau im Bundestag zugestimmt, damit die Regierung nicht auseinanderfliegt. Grundsätzlich wollen CDU und CSU zum einen aber weniger Geld für künftige Generationen in die Hand nehmen, zum anderen auch die Privatvorsorge im Alter stärken. Für letzteres ist ebenfalls die AfD zu haben. Um das zu ermöglichen, befürworten die Rechten steuerliche Anreize für private Altersvorsorgeprodukte wie Aktien und ETFs. Das Akronym steht für Exchange-Traded-Fund, zu Deutsch: börsengehandelter Fonds. Die Rente wäre dadurch eine Art Glücksrad, das Börsenspekulanten und den »Kräften des Marktes« ausgeliefert ist. Ein Gedanke, der dem ehemaligen Blackrock-Manager Friedrich Merz gut gefallen dürfte.
Christian Klemm arbeitet seit 2007 beim »nd«. Er ist jetzt Leiter des Online-Ressorts.
Beispiel Mindestlohn. »Kleine und mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden, dürfen durch übermäßige Belastungen nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gefährdet werden.« Das sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Bohnhof im Juni dieses Jahres. Seine Partei befürwortet zwar eine Lohnuntergrenze, lehnt aber eine Erhöhung durch die Politik ab. So hat sie dem Anstieg auf damals zwölf Euro 2022 im Bundestag nicht zugestimmt. Für die Festlegung des Mindestlohns ist nach ihren Vorstellungen allein die Mindestlohnkommission zuständig; die Partei fordert eine »ausgewogene Politik, die die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen berücksichtigt«.
Beispiel Steuern. Die AfD ist für die Abschaffung der Erbschaftsteuer und lehnt eine Vermögensteuer ab. Zudem wollen Weidel und Co. einen einheitlichen Satz von 25 Prozent bei der Einkommen- und Gewinnsteuer einführen (Flat Tax), die für Privatpersonen und Unternehmen gelten soll. Aktuell werden für Privathaushalte zwischen 14 Prozent auf niedrige und 45 Prozent auf hohe Einkommen fällig. Außerdem fordert die AfD die Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
Die AfD hat den Nimbus, eine »Partei der kleinen Leute« zu sein. Das ist ein Märchen. Sollte sie jemals in Regierungsverantwortung im Bund kommen, dann profitieren vor allem Unternehmen und Menschen mit dickem Portemonnaie. Auch wenn Merz und andere marktradikale Schwergewichte das jetzt noch ablehnen – die Union ist der natürliche Partner der AfD.
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