Engagement für alle

Über die Ehe für alle, weiter bestehende Privilegien für die normale Zweierbeziehung und marginalisierte Gruppen als revolutionäres Subjekt

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Ehe für alle«, im Volksmedienmund bekannt als »Schwulenehe«, spaltet die meinende Gesellschaft. Doch es ist nicht nur so, dass die einen dafür und andere dagegen sind. Einige sind auch irgendwie dafür, aber »haben da so ihre Zweifel«. Während Rechte, Konservative und normal Homophobe dagegen sind, weil sie die Besonderheit der Ehe als Übereinkunft von Mann und Frau und den Schutz ihrer Vorstellung von Familie gefährdet sehen, fällt Linken plötzlich, und das auffällig oft, wenn es gerade um die Öffnung der Ehe für Homosexuelle geht, ein, dass die »Ehe an sich« abgeschafft gehört und sie befürchten eine Stärkung der Institution. Wird die Ehe für alle nun die Existenz des Konzeptes verlängern oder zerstören?

Die Ehe ist eine Institution, die bisher Heterosexualität und Patriarchat als Norm verankert hat, mit der Privilegien einhergehen und die nun eine Aufbrechung erfährt, indem sie eine Gleichberechtigung für Bürger mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung garantiert. Nun gibt es Stimmen, die sagen: Schön und gut, aber das bedeutet immer noch Privilegien für die normale Zweierbeziehung und missachtet andere Beziehungsformen. Man könnte dem entgegenhalten, dass sich Beziehungen auch jenseits von Ehe abspielen können und dass man verheiratet sein kann und trotzdem nicht monogam leben muss, alle Privilegien einsackt und sonst tut, was man mag. Aber darum geht es den Kritikern nicht, sondern um das Überholtsein einer Idee. Da haben sie natürlich recht.

Unangenehm wird es aber dann, wenn das auf den Tisch kommt, weil eine Gruppe gerade einen Fortschritt errungen hat, der praktische Vorteile für sie bringt, wie etwa im Bereich des Adoptionsrechts. So scheint es, als erwarteten diese Kritiker, dass Homosexuelle revolutionärer sind als sie selbst. Das kennt man aus Diskussionen um Feminismus. Gern wird kritisiert, dass man sich falschen Kämpfen widme, nicht weit genug denke, zu viel bürgerliche Ideale reproduziere. Das wäre eine wichtige Kritik, würde sie sich nicht immer von einer Außenperspektive entrichten. So werden »die Feministinnen« genau wie »die Homosexuellen« angegriffen, ohne sich so weit zu solidarisieren, dass man sich selbst engagiert und versteht, dass man auch als Mann oder Heterosexueller profitieren kann, wenn starre Geschlechter- und Sexualitätsnormen infrage gestellt werden.

Die Revolution sollen lieber die anderen machen. Marginalisierte Gruppen hat man gern bequem, weiterhin marginalisiert und schreibt ihnen dann von rechts zu, zu mächtig oder von linker Seite, zu schwach zu sein. Doch homosexuell zu sein, bedeutet eben nicht automatisch, ein revolutionäres Subjekt zu sein, sondern schlichtweg behandelt werden zu wollen, wie alle. Alles darüber Hinausgehende kann man nur gemeinsam schaffen.

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