Waldbrand-Rekordjahr in Italien

Im ersten Halbjahr wurden Feuerwehr und Zivilschutz zu 717 Großeinsätzen mit Löschflugzeugen gerufen

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Notruf ging beim italienischen Zivilschutz ein: In einer Ferienanlage bei Sant Vito lo Capo im Westen Siziliens sind 700 Gäste zu evakuieren. Der Wald hinter der Küste steht in Flammen, jeder Ausweg abgeschlossen. Der Bürgermeister von Sant Vito rief am Mittwoch über die sozialen Medien jeden, der ein sicheres und vertrauenswürdiges Boot besitzt, zur Rettung an den Hotelstrand anzulanden. Stunden später waren alle Menschen in Sicherheit, der Wald indes brennt weiter.

Wie hier, so auch an vielen anderen Stellen auf Sizilien. So auf dem Festland, in Kampanien, Kalabrien und Latium. Die langanhaltende Hitzewelle und die Trockenheit lassen die Pinienwälder in den Küstenregionen wie Zunder aufflammen.

717 Großeinsätze von Feuerwehr und Zivilschutz wurden von den Regionen und Provinzen im ersten Halbjahr angefordert. Vor zehn Jahren waren es nur 447. Überall waren Löschflugzeuge und Löschhubschrauber im Einsatz. Die Löschflotte ist auf 28 Flugzeuge des Typs Canadair erhöht worden. Jede dieser Maschinen kann 6100 Liter Wasser aus dem Meer schöpfen. Löschhubschrauber hingegen können bis zu 1000 Liter Wasser in ihren Tragesäcken transportieren.

Die größten Brände fressen sich gegenwärtig durch die nordwestlichen Küstenwälder Siziliens nahe Trapani und lodern an der kampanischen Küste im Hinterland von Neapel. Seit fast zwei Wochen brennen die Wälder am Vesuv, die Rauchfahne zieht weit ins Landesinnere. Seit dem 15. Juni sind die Einheiten von Feuerwehr und Zivilschutz mehr als 400 Mal gerufen worden.

In Kampanien brennt es nicht nur am Vesuv, sondern auch im Regionalpark bei Positano. Mehr als 700 Feuerwehrleute sind zusätzlich in die Region beordert worden. Sobald es die Lichtverhältnisse vom frühen Morgen bis in den Abend erlauben, fliegen die Canadair ihre Löschflüge.

Wie stets in den Sommermonaten entzünden sich die Feuer nicht nur von selbst, aus Unachtsamkeit oder Unfällen. Vielerorts sind auch Brandstifter aktiv am Werk. So wurde am Vesuv ein 44-Jähriger aus Benevento festgesetzt, nachdem er ein Feuer entzündet hatte. Die Videoüberwachung am Vulkan nahe Neapel hatte ihn aufgenommen und seine Identifizierung ermöglicht.

Die Staatsanwaltschaft von Neapel untersucht nun die Hintergründe der Tat, denn nicht selten hat dabei auch das organisierte Verbrechen seine Hände im Spiel. Dabei gibt es verschiedene Motive, Brände zu legen. Zum einen werden - nicht nur in den »Terre dei Fuochi«, dem Feuerland südlich Neapels - illegale Mülldeponien in Brand gesetzt. Auch nahe dem Vesuv gibt es nicht zugelassene Lagerstätten mit Plastik- und Chemiemüll sowie Textilien, die auf diese Art und Weise verschwinden sollen.

Zudem werden Wald- und Feldflächen oft angezündet, um Bauland zu gewinnen. Laut Gesetz muss ein abgebranntes Gebiet binnen 15 Jahren wieder aufgeforstet werden, andernfalls kann es automatisch in Bauland umgewidmet werden. Doch häufig haben Gemeinden kein Geld, um die Natur wiederherzustellen. Oder die Mafia-Organisationen üben Druck aus, die Zeit solange zu verzögern, bis der Umwidmungstermin erreicht ist.

Bislang hat die Politik kein wirksames Mittel gefunden, um gegen diese Machenschaften vorzugehen. Und so werden auch in den kommenden Sommern die Wälder brennen. Ob der diesjährige Rekord dann gebrochen wird, bleibt abzuwarten.

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