Ramelow: Nazi-Konzerte sollten nicht als Demonstration gelten

Ministerpräsident bringt eine Änderung des Versammlungsrechts ins Gespräch / Juso-Mitglied mahnt bei Diskussion zur Vorsicht

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Berlin. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) bringt eine Änderung des Versammlungsrechts ins Gespräch, um gegen Neonazi-Konzerte vorzugehen. Man könne »ganz schön traurig und hilflos werden«, wenn man sieht, wie 6000 aus ganz Europa angereiste Konzertbesucher wie am Wochenende im südthüringischen Themar »getarnt als Demonstration« ein großes Festival abhalten, erklärte er im MDR. Über ein geändertes Versammlungsrecht könne erreicht werden, dass Behörden und Gerichte »diese Dinge nicht mehr unter Meinungsfreiheit abtun«. »Ich habe noch nie bei einer Demonstration oder Versammlung Eintritt bezahlen müssen«, so Ramelow am Montagmorgen im Kurzmeldungsdienst Twitter. »Ich will Konzerte von ›Demonstration‹ abgrenzen können.«

Am Wochenende hatte in Themar das bislang größte Neonazi-Konzert des Jahres in Deutschland stattgefunden. Zu Gegenprotesten versammelten sich am Samstag mehrere hundert Menschen. Einwohner Themars kritisierten, es sei nicht nachzuvollziehen, dass ein solches Konzert unter dem Schutz der grundgesetzlich garantierten Versammlungsfreiheit stehe. Zwei Thüringer Gerichte hatten das Konzert entgegen der Rechtsauffassung des Landkreises Hildburghausen unter den Schutz der Versammlungsfreiheit gestellt.

Während des Konzertes wurde von mehreren Teilnehmer immer wieder der Hitlergruß gezeigt. Das wurde von den zuständigen Behörden vor Ort nicht unterbunden. Jetzt sind Bilder von den Vorfällen aufgetaucht. Die Polizei hat Ermittlungen eingeleitet.

Die Vize-Vorsitzende der Thüringer Jusos, Romy Arnold, sprach sich unterdessen gegen schnelle Änderungen am deutschen Versammlungsrecht aus. Derartige Überlegungen müssten sehr genau diskutiert werden, teilte die SPD-Nachwuchspolitikerin mit. »Ich halte so was für ausgesprochen schwierig.« Das Versammlungsrecht sei in einer Demokratie ein sehr hohes Gut. Bei möglichen Gesetzesänderungen müsse deshalb darauf geachtet werden, nicht auch die Rechte von Menschen einzuschränken, die sich gegen Rechte engagierten oder für ganz andere Dinge auf die Straße gehen wollten.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (ebenfalls LINKE) indes sagte der »Berliner Zeitung«, mit Verboten sei nazistischem Gedankengut nicht beizukommen. »Bei solchen Konzerten laden sich die Rechtsextremisten auf. Später geht es gegen Migranten und alle, die sich den Rechtsextremisten entgegenstellen.« Deshalb gelte ihr höchster Respekt denen, die es in Themar trotzdem getan hätten.

Auch Ramelows Parteifreundin Ulla Jelpke lehnte eine Einschränkung des Versammlungsrechts »strikt ab. Alle geschichtliche Erfahrung lehrt, dass solche Maßnahmen zwar gerne mit dem Kampf gegen Neonazis begründet werden, doch dann in erster Linie Linke die Leidtragenden sein werden«, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. »So erschreckend dieses Rock-gegen-Überfremdung-Konzert auch ist, so wenig Zweifel besteht daran, dass es sich hier um eine politische Kundgebung handelt.«

Das Versammlungsrecht biete »bereits jetzt genügend Instrumente, um solche Veranstaltungen bei absehbaren Straftaten zu verbieten oder mit strikten Auflagen einzuschränken«, so Jelpke. »Schon ein Blick auf die Bilder von diesem widerlichen Konzert zeigt, dass es dort massiv zu Straftaten gekommen ist – von der Verwendung verfassungsfeindlicher Nazi-Symbole bis zu Verstößen gegen das Uniformverbot durch den Aufzug uniformierter Neonazis.« Jelpke wies darauf hin, dass bei dem Thema offenbar »mit zweierlei Maß gegenüber Neonazis und Linken gemessen« werde. So habe »das Bundesinnenministerium kürzlich Landesbehörden aufgefordert, Konzerte mit der linken Band Grup Yorum aus der Türkei zu verhindern, da deren Liedtexte angeblich die öffentliche Ordnung gefährden, wie mir gerade auf eine Kleine Anfrage bestätigt wurde«, so die Abgeordnete weiter. Agenturen/nd

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