Warten auf die neuen Geldgeber

Die Leistungssportreform kommt nicht so recht voran

Sebastian Brendel ist ein geduldiger Mensch. Der Kanute ist bekannt dafür, dass er seinen Gegnern nach dem Start schon mal einen Vorsprung gönnt, doch kurz vor dem Ende zieht er dann doch immer wieder seinen gefürchteten Schlussspurt an und fährt an allen vorbei. Der dreifache Olympiasieger aus Potsdam ist mittlerweile auch auf sportpolitischem Terrain bewandert und wusste daher am Dienstagabend beim Sommerfest am Olympischen Trainingszentrum in Kienbaum diplomatisch auf eine Frage zur Leistungssportreform zu antworten: »Die Reform war wichtig. Und es darf natürlich keinen harten Schnitt geben, solche Dinge kann man nicht von heute auf morgen ändern. Die brauchen Zeit«, sagte der 29-Jährige aber nur scheinbar geduldig, denn einen Satz wollte er dann doch noch loswerden. »Es muss jetzt mal was passieren. Wir sollten von der Phase des Redens in die der Taten übergehen.«

Fürwahr ist die Leistungssportreform ins Stocken geraten. Jahrelang hatten der Deutsche Olympische Sportbund und das für den Sport zuständige Bundesministerium des Innern (BMI) daran gefeilt. Im letzten Herbst wurde ein Eckpunktepapier vorgestellt, das nach heißen Diskussionen leicht abgearbeitet im Dezember von den Mitgliedern des DOSB verabschiedet wurde. Von den einzelnen Sportverbänden wird darin vor allem eine Professionalisierung verlangt, damit ihre Spitzensportler effizienter und erfolgreicher arbeiten können. Das Ziel heißt mehr Medaillen, so hat es Innenminister Thomas de Maizière postuliert. Den Verbänden wurden im Gegenzug mehr Mittel vom Geldgeber BMI in Aussicht gestellt, doch darauf warten sie noch immer.

Auch in Kienbaum wurden keine Millionen verteilt. »In den Verbands- und Strukturgesprächen sollen jetzt die Bedarfe der Verbände ermittelt werden, so dass wir haushaltsmäßig auch dafür eintreten werden«, drückte sich BMI-Vertreter Gerhard Böhm vor den Augen vieler Verbandsfunktionäre erneut um feste Zusagen. Allen ist längst klar, dass es bis zur Bundestagswahl im September auch keine mehr geben wird. Soll sich die nächste Regierung, der nächste Haushaltsausschuss mit den Wünschen der Sportverbände auseinandersetzen. Diese wiederum haben sich offenbar damit abgefunden, dass die Reform erst frühestens 2019 wirklich umgesetzt wird.

Einige Sportdirektoren sehen in ihr aber auch eine ungeahnte Chance. Schließlich haben etwa Box- und Hockeyverband längst moderne Strukturen geschaffen, bräuchten also kein Geld mehr für eine Strukturreform. Sie fordern daher endlich mehr Geld für gute Trainer. »Mit den Trainern fängt alles an. Wir müssen endlich mit den Gehältern unserer Konkurrenten mithalten«, sagte etwa Michael Müller, Sportdirektor des Deutscher Boxsport-Verbandes. »Und wenn wir ihnen gute Trainer bieten, können wir auch junge Talente anlocken.«

Solche Forderungen sind nicht neu, oft scheiterten sie am fehlenden politischen Investitionswillen. Doch jetzt scheint Geld da - und der Minister auf ein Leistungssteigerungsziel festgenagelt.

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