Anti-Weihnachtsmann Macron und seine Wichtel

Die Arbeitsmarktreform war eines der zentralen Wahlversprechen des französischen Präsidenten. Nun nimmt sie Gestalt an - für Lohnabhängige ist nicht viel Gutes dabei

  • Bernard Schmid, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich bin nicht der Weihnachtsmann!« antwortete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Mai Lohnabhängigen, die ihn aufgrund des befürchteten Verlusts ihrer Arbeitsplätze am Rande einer öffentlichen Veranstaltung ansprachen. Tatsächlich führt seine Regierung für die Lohnabhängigen des Landes nicht viel Gutes im Sack.

Insbesondere müssen die Pläne zur erneuten »Reform« des Arbeitsrechts, die an dem im August 2016 nach heftigen Protesten in Kraft getretenen Loi travail anknüpfen, für Beunruhigung sorgen.

Dabei hat die Regierung eine Marschrichtung an drei Fronten festgelegt. Das erste Kapitel soll das Verhältnis von Gesetz, Branchen- und Unternehmensvereinbarungen neu bestimmen. Insbesondere die Arbeitszeitpolitik, möglicherweise aber auch Themen wie Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, sollen wesentlich stärker als bisher in die einzelnen Unternehmen ausgelagert werden. Der Schutz durch allgemeinverbindliche Gesetze oder Branchenkollektivverträge würde geschwächt oder entfallen.

Allerdings öffnet die Regierung, sozusagen im Gegenzug, neue Verhandlungsfelder für den Branchenkollektivvertrag, die Entsprechung zum deutschen Flächentarif.

Er soll zum Beispiel über Befristungsgründe für Arbeitsverträge - die über die bisher bestehenden, gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten hinausgehen - entscheiden dürfen. Dies bedeutet zwar einen geringeren Schutz als bisher, auf Kosten des Spielraums der Gesetzgebung. Allerdings benutzt die Regierung das als Argument an die Adresse der Gewerkschaften, in dem sie argumentiert, dass sie den Branchenkollektivvertrag ja gar nicht austrockne, sondern - im Gegenteil - neue Verhandlungen auf dieser Ebene ermögliche.

Das zweite Kapitel betrifft den »sozialen Dialog im Unternehmen«. So sollen etwa in Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten neue Verhandlungsmöglichkeiten geschaffen werden. Bis zu dieser Unternehmensgröße dürfen bislang keine délégués syndicaux, also Gewerkschaftsvertreter mit einer Teil-Freistellung, ernannt werden. Um dem Arbeitgeber Verhandlungspartner zu stellen, dürfen die Gewerkschaften allerdings bisher einzelnen Beschäftigten in diesen Unternehmen ein befristetes Mandat, das bis zum Ende der konkreten Verhandlung gilt, erteilen.

Die Regierung plant nun, außergewerkschaftliche Akteure als Verhandlungspartner des Arbeitgebers zuzulassen, etwa auf gewerkschaftsfreien Listen gewählte betriebliche Vertrauensleute (délégués du personnel). Viele befürchten dadurch eine weitere Verdrängung der Gewerkschaften aus kleinen und mittleren Unternehmen. Eine Alternative hätte darin bestanden, die Grenze von 50 Beschäftigten aufzuheben, um über teilfreigestellte Gewerkschaftsvertreter verfügen zu können. Das kam aber für die Regierung nicht in Frage.

Das letzte Kapitel betrifft die »Modernisierung des Arbeitsmarkts«. Dazu zählt insbesondere das Vorhaben, einen neuen Vertragstypus einzuführen, den contrat de projet. Dabei handelt es sich um einen Arbeitsvertrag ohne formale Befristung, der jedoch mit dem Erreichen eines bestimmten Zwecks - etwa der Fertigstellung eines Computerprogramms oder der Beendigung eines Exportauftrags - automatisch ausläuft. Arbeitsministerin Muriel Pénicaud zufolge würden dadurch die »unbefristeten« Arbeitsverträge zunehmen. Was ja, soPénicaud in ihren öffentlichen Auftritten, von Vorteil für die Beschäftigten sei, wenn diese etwa einen Mietvertrag oder Wohnungskredit aushandeln möchten. Dabei handelt es sich um eine Mogelpackung sondergleichen, denn in Wirklichkeit wird dem contrat de projet ein Selbstzerstörungsmechanismus in die »unbefristeten« Arbeitsverträge eingebaut.

Auch sollen Abfindungszahlungen bei ungerechtfertigten Kündigungen verbindlich gedeckelt werden. Das Arbeitsgesetz von 2016 sieht eine unverbindliche Deckelung vor. Der Deckel soll überdies tiefer heruntergeschraubt werden. Gerechtfertigt wird dies mit der »Rechtssicherheit« der - sonst gerne als »risikofreudige Unternehmer« gelobten - Kapitaleigentümer.

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