Von den Hieroglyphen zum Emoji

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Die Schrift gehört zu den größten Errungenschaften der Zivilisation. Ihr Datenträger war viele Jahrhunderte lang der Stein; in ihn wurden Zeichen gemeißelt oder geritzt, die Auskunft über das Leben, den Glauben, das Denken der Zeit gaben. Dann kam der Papyrus, schließlich das Papier. Und mit jeder neuen technologischen Erfindung zur Sicherung von Daten entwickelte sich die Zeichensprache weiter. Aus den Keilzeichen wurden Hieroglyphen, daraus entstanden die einzelnen Buchstaben und schließlich die Schrift. Die mündliche Sprache, mit der der Mensch einst vom Tierreich schied, blieb dabei über die Jahrtausende die konstante Voraussetzung für die Verschriftlichung der Kommunikation. Was gesagt werden kann, kann auch niedergeschrieben werden.

Heute stehen oder sitzen wir nicht mehr wie einst unsere Ahnen um das Lagerfeuer und berichten uns über die Neuigkeiten des Tages, sondern blicken stumm in die Glut und wärmen vielleicht noch die alten Geschichten auf, die eh schon jeder kennt und von denen er mehrfach schon gelesen hat. Für die Nachrichtenübermittlung gibt es heute die Zeitung, den Fernseher - und das Smartphone.

Und just letztere Erfindung schließt nach vielen Tausend Jahren den Kreis des Zivilisationsprozesses. Pro Tag werden schätzungsweise mehr als eine Milliarde Textnachrichten über diese digitalen Geräte verschickt, und immer seltener werden diese noch in verschriftlichter Form verfasst. Sogenannte Emojis, kleine Bildzeichen, die Emotionen ausdrücken, nehmen bei dieser Art der Kommunikation einen immer größeren Raum ein. Zu Beginn der Woche, am 17. Juli (dem »Welt-Emoji-Tag«), wurde die Zeichen-Palette um einige Bilder erweitert. Neben Affen, die sich die Hände vor das Gesicht halten, lachenden, weinenden, wütenden, ärgerlichen sogenannten Smileys, Autos, Lokomotiven, Geburtstagstorten und Herzen in allen Formen gibt es jetzt auch eine Frau mit Kopftuch, eine bärtige Person sowie stillende Mütter. Die Ideogramme sollen für eine größere Diversität sorgen, teilte ein bekannter Hersteller dieser neuzeitlichen Hieroglyphen mit. Schließlich sei es der Hauptzweck der Emojis, das Verständnis über kulturelle Barrieren hinweg zu fördern und missverständliche Textnachrichten zu ergänzen.

Die nächste Stufe des Fortschritts der menschlichen Kommunikation ist bereits absehbar. Die Verkaufszahlen der sogenannten Intelligenten Persönlichen Assistenten schnellen derzeit in die Höhe. Euphemistisch werden die Geräte umgangssprachlich Sprachassistenten genannt, denn sie bestehen aus einer Software, die menschliche Sprache erkennt und analysiert, damit die Nutzer (also die Menschen) nicht mehr mühsam Kommandos auf der Tastatur tippen müssen, sondern Fragen oder Anweisungen sprachlich formulieren können. In Wahrheit, machen wir uns nichts vor, sind sie ein weiterer Schritt in der menschlichen Evolution. Bald schon werden diese Geräte aus der Zeitung vorlesen. Die Kommunikation findet zu ihrem Ursprung zurück - nur halt auf einer höheren technologischen Stufe. Was niedergeschrieben werden kann, kann auch gesagt werden. jam

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