Wie im Himmel, so auf Erden ... oder umgekehrt
Ließ der Wille des Oligarchen Kolomojskyj die Verhandlungen der Ukraine mit Ryanair platzen?
Auf den ersten Blick haben diese beiden Nachrichten nichts oder nur wenig mit der Politik zu tun. Mitte März kündigte das ukrainische Infrastrukturministerium zusammen mit dem irischen Billigfluganbieter Ryanair an, dass Letzterer ab Herbst 2017 auf dem ukrainischen Markt tätig sein wird. Geplant waren Flüge von Kiew nach Eindhoven, London, Manchester und Stockholm und vom westukrainischen Lviv nach Berlin, Wrocław, Budapest, Kraków, Memmingen sowie ebenfalls nach Eindhoven und London.
Doch die Einigkeit zwischen Ukraine und Ryanair dauerte nicht lange. Am 10. Juli gab der weltweit größte Billigfluganbieter seinen Rückzug aus der Ukraine bekannt, obwohl Tickets für die neuen Routen längst verkauft wurden.
»Leider haben der Kiewer Flughafen Boryspil und die Ukraine gezeigt, dass sie noch nicht bereit sind für die Investitionen von Ryanair«, begründete David O’Brien, kommerzieller Direktor der Fluggesellschaft aus Irland, die Entscheidung. Dass die Parteien sich aus kommerziellen Gründen nicht einigen, hat erst mal tatsächlich mehr mit Wirtschaft als mit Politik zu tun. Doch die Debatte rund um den Entschluss von Ryanair ist in der Ukraine nicht umsonst das politische Thema Nummer eins.
Denn es geht auch um die Person von Ihor Kolomojskyj, des mächtigen Oligarchen, der trotz Verlustes der Privatbank der zweitreichste Mann der Ukraine bleibt. Kolomojskyj gehört die Fluggesellschaft Ukraine International Airlines, der einzige große Fluganbieter des Landes. Den staatlichen Flughafen Boryspil, 35 Kilometer vom Herzen Kiews entfernt, nutzt die UIA als Hauptflughafen. Dass die Führung der ziemlich teuren Linie nicht gerade begeistert von den Einstiegsplänen von Ryanair war, ist offensichtlich. Deswegen attackieren die Iren das ukrainische Unternehmen direkt: »Wir glauben, der Flughafen Boryspil wollte die Interessen der teuren Fluglinien, inklusive UIA, verteidigen«, sagte O’Brien. Der ukrainische Infrastrukturminister Wolodymyr Omeljan, der die Verhandlungen mit Ryanair führte, kritisierte Boryspil ebenfalls - und verwies seinerseits auch an die Verbindungen mit UIA.
In der Ukraine ist die Kritik wegen des Rückzugs von Ryanair groß. Für viele Ukrainer ist der Entschluss des Billigfluganbieters eine Enttäuschung und eben auch ein Zeichen, dass die stark korrupte Ukraine sich nur langsam ändert.
Doch ganz so einfach ist die Situation nicht. Die Führung des Flughafens Boryspil, der das Infrastrukturministerium mit Kündigung droht, weist alle Vorwürfe wegen Beeinflussung durch Kolomojskyj zurück. »Die Forderungen, die Ryanair an uns gestellt hat, waren diskriminierend und einfach inakzeptabel«, sagt Boryspil-Chef Pawlo Rjabykin. Außer der zu großen Kostenvorteile wollte Ryanair Rjabykin zufolge sogar ein kostenloses Grundstück, um ein Hotel zu bauen, sowie 35 Prozent der Gewinne durch die Duty-free-Shops am Flughafen. »Diese Forderungen sind weder mit der ukrainischen Gesetzgebung noch mit dem gesunden Menschenverstand zu vereinbaren«, machte Rjabykin deutlich. Mittlerweile haben sich Premier Wolodymyr Grojsman und Präsident Petro Poroschenko in die Sache eingemischt - mit der klaren Forderung, Verhandlungen mit Ryanair wieder zu beleben.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!