Überblick über eine Strömung: Was ist Degrowth?

Postwachstumsbewegung ist seit der Krise im Aufwind

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 2 Min.

Adam Smith wusste es, John Stuart Mill wusste es auch: Wirtschaftswachstum ist begrenzt. Die beiden britischen Philosophen aus vergangenen Jahrhunderten, die das heutige Verständnis von Kapitalismus stark geprägt haben, zeigten unterschiedliche Konsequenzen auf: Entweder gibt es einen zunehmend erbitterten Verdrängungswettbewerb bis zum Untergang oder mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens.

Es ist die zweite Alternative, für die die heutige Postwachstums- oder - dem Englischen entlehnt - Degrowth-Bewegung steht, die besonders seit der Weltwirtschaftskrise auflebt. 2008 fand die erste Internationale Degrowth-Konferenz in Paris statt, seither trifft man sich alle zwei Jahre. Zu ihrer bislang bestbesuchten Konferenz in Leipzig 2014 kamen 3000 Menschen aus aller Welt.

Produktion und Konsum sollen verringert, Ressourcen gerechter verteilt, der menschengemachte Klimawandel so gut wie noch möglich verhindert werden. Suffizienz statt Effizienz - lautet die Parole. Die Notwendigkeit von Wirtschaftswachstum wird als Ideologie entlarvt. Wachstumszwang führe zwar zu Innovationen und effizienterer Technologie, aber auch zu immer mehr Risikobereitschaft und Konkurrenzdruck, zu fortschreitender Monopolisierung, sinkender Produktqualität, niedrigeren Löhnen, höherer Verschuldung, mehr Ausbeutung natürlicher Ressourcen und zur Erzeugung zweifelhafter Bedürfnisse.

Neoliberalen ist diese Kritik natürlich ein Dorn im Auge, aber auch aus linken Kreisen wird die Bewegung zuweilen kritisiert. Manchen ist die bloße Abkehr vom Wachstum zu unpolitisch. Schließlich muss man dafür nicht zwangsläufig auf das Vokabular von Marx und Gramsci zurückgreifen.

Und auch im konservativen Spektrum ist die Wachstumskritik längst angekommen. CDU-Vordenker Meinhard Miegel etwa vertritt die Auffassung, Deutschland habe über seine Verhältnisse gelebt und müsse das nun den Gürtel enger schnallen. Auch das ist eine Art Postwachstum.

Andere Linke kritisieren, Wachstumsgegner würden Armut romantisieren. So warf die »Interessengemeinschaft Robotercommunismus« ihnen in der Wochenzeitung »Jungle World« vor, »dem nimmersatten Pöbel mit den neuesten Erkenntnissen positivistischer Glücksforschung zu erklären, warum weniger manchmal mehr sei«.

Viele Degrowth-Vertreter würden dem widersprechen. Sie können auf die Vielfalt ihrer Debatten verweisen. Tatsächlich werden auf ihren Konferenzen zahlreiche Themenbereiche verknüpft: Klimaschutz, Ökodörfer und Urban Gardening mit klassisch »linken« Fragen zu Antikapitalismus, Antifaschismus, Feminismus. Im kommenden Jahr treffen sich die Wachstumsgegner wieder, diesmal im schwedischen Malmö.

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