Pilzsammler - so oder so

Nationalrat in Wien versucht es auf neue Art

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder sonntags lädt sich Claudia Stöckl Promis zum Frühstück ins Oe3-Studio. Im Januar war es Peter Pilz, der damals dienstälteste Nationalrat der Grünen. Er fremdelte schon heftig mit der kriselnden Partei. Die Radiogastgeberin wollte wissen, wo sich der 63-Jährige denn in zehn Jahren sehe? »In zehn Jahren werde ich gnadenlos die Pilze in meiner obersteirischen Heimat verfolgen«, lachte Pilz. Etwas ernster fügte er an: »Aber vielleicht bin ich auch Abgeordneter. Oder vielleicht wird es doch etwas anderes. Ich habe mein ganzes Leben nicht gewusst, was ich im übernächsten Jahr mache.«

Seit Dienstag ahnt es ganz Österreich. Pilz, der im Juni beim Grünen Bundeskongress bei der Kampfabstimmung um den von ihm gewünschten vierten Listenplatz gescheitert ist und die Partei verließ, steht jetzt an der Spitze der »Liste Peter Pilz«.

Pilz der »Kommunist«, wettern Rechtspolitiker. Pilz schielt nach rechts, warnen eher links Stehende. »Spaltpilz« dröhnt es aus der einstigen Partei. Und was sagt der Kandidat, der sich als Korruptionsjäger und Geheimdienstquäler einen Namen gemacht hat? Dass er auf keinen Fall eine neue Partei gründet. Hinter Parteien stünden Funktionärsblöcke, die verursachen Stillstand. Sie kümmern sich vor allem um ihre Interessen und nicht um die der Menschen. Das erzeuge »diese Sehnsucht nach einer neuen Politik«, sagt Pilz und stellt sich bescheiden in eine Reihe mit Emmanuel Macron in Frankreich, mit Jeremy Corbyn in Großbritannien oder/und mit Bernie Sanders in den USA.

Pilz will mit Mitteln des Rechtsstaates zwei Gefahren wehren: Die von der extremen Rechten droht, sei bekannt. Die, die der politische Islam gerade in Österreich und der EU etabliert, unterschätze man noch. Stichwort Erdogan. Seit mindestens 30 Jahren werde ungenierter denn je von unten nach oben verteilt, immer weniger hätten immer mehr. Ihm gehe es daher um »eine Reform des Sozialstaates, um mehr soziale Sicherheit und um Gerechtigkeit«, sagt Pilz, und hofft auf ein zweistelliges Ergebnis bei den Nationalratswahlen am 15. Oktober.

Analysen der Demoskopen fallen skeptisch aus. Erstes Argument: Pilz habe nicht genug Geld für eine Kampagne. »Über Crowd- funding werden wir das schaffen«, lautet die Antwort. Zweites Argument: Er habe nicht genug Kompetenz um sich versammelt. In der Tat, noch ist das Kandidatenteam klein. Ein Tierschützer und Ex-SPÖ-Mann sind dabei, auch einer, der fit ist beim Konsumentenschutz und Cannabis als Medizin freigeben will. Mit an Bord - die Sprecherin des Frauenvolksbegehrens, die sich für die Kindesunterhaltssicherung einsetzen will. Dazu eine junge Frau aus der Initiative »Chancenreich«, die sich um Flüchtlinge kümmert.

Noch sei man nicht komplett, bestätigt Pilz. Doch da er bestens vernetzt ist im politischen Wien, fürchten diverse Parteizentralen Übertritte. Er werde mit allen reden, sagt der Listenmann, nur nicht mit den Freiheitlichen von Rechtsaußen, denn: »Da trennt zu viel!«

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