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Elektronische Gesundheitskarte vor dem Aus?

Eigentlich sollten auf E-Cards Daten gespeichert werden, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Doch es gibt technische Probleme

  • Lesedauer: 3 Min.

München. Aus der Spitze des Gesundheitswesens kommen erhebliche Zweifel, ob mit der elektronischen Gesundheitskarte jemals das erreicht wird, was Politiker versprochen haben. Der Vorstandschef der AOK Bayern, Helmut Platzer, sagte, es sei »unsicherer denn je, wann die Gesundheitskarte die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt«. Hochrangige Mitarbeiter von Ärzteverbänden und gesetzlichen Krankenkassen berichten, es gebe in der Bundesregierung Pläne, die E-Card nach der Bundestagswahl für gescheitert zu erklären. Damit bliebe die Plastikkarte nichts weiter als ein Versicherungsnachweis, heißt es aus Kassenkreisen. Die E-Card hat nach Berechnungen des Dachverbands der Innungskrankenkassen bis jetzt rund 1,7 Milliarden Euro an Kosten verursacht.

Auch aus den Kassenärztlichen Vereinigungen kommen Zweifel: »Wenn man mit Fachleuten redet, hört man, das sei eine Technik, die eigentlich schon überholt ist«, sagte der Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Wolfgang Krombholz. Verbände von Ärzten, Krankenkassen, Kliniken und Apothekern haben über die Trägergesellschaft Gematik den gesetzlichen Auftrag, die Gesundheitskarte auf den Weg zu bringen.

Die Bundesregierung hatte 2004 angekündigt, ab 2006 werde die elektronische Gesundheitskarte neue Möglichkeiten für einen Datenaustausch schaffen. Ein Notfalldatensatz sollte darauf ebenso gespeichert werden können wie ein Medikationsplan. Eine solche digitale Arzneiliste sollte helfen, gefährliche Wechselwirkungen zu vermeiden, die nach Schätzungen jährlich Tausende Todesfälle nach sich ziehen. Eine elektronische Patientenakte sollte unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden. Verwirklicht ist davon bis jetzt nichts.

Die Betreibergesellschaft Gematik hat zwar Anfang Juni erklärt, die Auslieferung der notwendigen technischen Ausrüstung gehe in die letzte Phase. Doch die dafür notwendigen sogenannten Konnektoren stehen weiterhin nicht zur Verfügung. Die Chefin des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, hatte im Juli beteiligte Industriefirmen für die Verzögerungen verantwortlich gemacht. Die weisen die Vorwürfe allerdings zurück. Ein Sprecher der Telekom-Tochter T-Systems weist darauf hin, dass die technischen Anforderungen rund 150 Mal verändert worden seien. Jetzt aber sei die Industrie »auf der Zielgeraden«, heißt es von T-Systems. Derzeit werde »die weltweit bestgeschützte öffentliche Infrastruktur für das Gesundheitswesen« entwickelt.

Bei den Krankenkassen stoßen solche Worte auf Skepsis. Etliche Kassen setzen darauf, eigene Angebote für einen digitalen Datenaustausch zu entwickeln. »Damit könnten die Anforderungen wesentlich besser, ökonomischer und sicherer erfüllt werden«, sagt der Chef der AOK Bayern, Helmut Platzer. Die bundesweit größte AOK will dazu mit anderen Ortskrankenkassen und Partnern aus der Wirtschaft zusammenarbeiten. Die Techniker Krankenkasse hatte bereits im Februar bekannt gegeben, sie habe den US-Konzern IBM mit der Entwicklung einer eigenen elektronischen Patientenakte beauftragt.

Ärztevertreter fürchten jedoch eine Zersplitterung der digitalen Gesundheitslandschaft. »Das wäre das Schlimmste, was uns passieren könnte, dass jede Kasse mit ihrem eigenen System startet«, so Krombholz. Er warnt, dass Praxen damit überfordert wären, verschiedene Systeme etwa von Patientenakten mit ihren Computersystemen zu verwalten. dpa/nd

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