Aufgehübscht?

Stephan Weils Sprecherin widerspricht Vorwürfen einer Zensur durch VW

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Vergabeaffäre, Dieselärger, Regierungskrise durch eine abtrünnige Grüne - und schon gibt’s die nächste Klatsche für Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD). Eine, die in jüngerer Vergangenheit gründet und jetzt durch einen Text in »Bild am Sonntag« (BamS) auf den Tisch gekommen ist. Der Vorwurf: Weil habe eine Regierungserklärung zum Abgasskandal vom VW-Werk »weichspülen« lassen, ehe er sie am 13. Oktober 2015 im Landtag vortrug. Wie die Macher einer Schülerzeitung, die vor der Veröffentlichung des Blattes ihre Werke erst dem Schuldirektor vorlegen müssen.

Hatte der Regierungschef nicht die Courage, die Stellungnahme vor dem Parlament abzugeben, ohne sie zuvor bei VW durchsehen zu lassen? Riecht nach Unsicherheit und Zensur. Hatte sich Weil einer solchen unterworfen, weil er auch Aufsichtsratsmitglied des Konzerns ist und Angst hatte, er könne in seiner Erklärung die in jenem Gremium herrschende Verschwiegenheitspflicht verletzen?

Weil weist Vorwürfe in dieser Richtung zurück. BamS jedoch zitiert einen angeblichen VW-Mitarbeiter: »Wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült.« Und, so beruft sich die Zeitung auf ihr vorliegende Unterlagen, bei VW sei Weils Redeentwurf »aufgehübscht« worden. Man habe »problematische Passagen« durch »positivere Formulierungen« ersetzt.

Weichgespült hatte Weils Erklärung im Parlament durchaus nicht geklungen, wie auch immer der Urtext ausgesehen haben mag. »Tief betroffen und entsetzt« habe die Regierung von den Manipulationen der Abgaswerte erfahren, von einem Vorgehen, das »unverantwortlich, völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen« sei, so hatte der Sozialdemokrat seinerzeit seine Rede eingeleitet. Schwere Fehler seien bei VW begangen worden, rückhaltlose Aufklärung und »die notwendige Konsequenz« seien erforderlich, so der Ministerpräsident damals am Rednerpult.

Dass die Regierungserklärung zuvor an die VW-Spitze und einen Rechtsanwalt geschickt worden war, bestreitet niemand. Hintergrund dafür seien vor allem die seinerzeit laufenden, sehr wichtigen Gespräche mit den amerikanischen Justizbehörden gewesen, erinnerte Regierungssprecherin Anke Pörksen am Sonntag, und: »Es stand die Zukunft des VW-Konzerns auf dem Spiel, nicht zuletzt auch wegen der schwierigen Verhandlungen in den USA.« Deswegen habe man sicherstellen müssen, »dass keine rechtlich oder tatsächlich unzutreffenden Aussagen getroffen wurden«.

Änderungsvorschläge zur Regierungserklärung habe es dann durchaus gegeben, räumt die Sprecherin ein. Aber darüber habe »die Landesregierung in eigener Verantwortung entschieden«. Nur einzelne Anregungen, »insbesondere im Hinblick auf die Verhandlungen in den USA«, seien übernommen worden. Abgelehnt habe die Regierung dagegen den Wunsch des VW-Konzerns, die harte Kritik Stephan Weils an Volkswagen im Redemanuskript zu modifizieren.

»In jeder Phase der Debatte über den Abgasskandal hat die Landesregierung ihre eigene Haltung vertreten, und das ist in Wolfsburg beileibe nicht immer auf Begeisterung gestoßen«, unterstreicht Anke Pörksen und zieht das Fazit: »Die Berichterstattung der BamS ist vor diesem Hintergrund grob verzerrend und irreführend.«

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