Tausende Venezolaner migrieren

  • Regine Reibling
  • Lesedauer: 2 Min.

Quito. Zweimal pro Woche setzt sich Juan Graciano in den Bus und überquert den Grenzübergang »Simon Bolívar«, um in der kolumbianischen Stadt Cúcuta Nahrungsmittel und Medikamente zu kaufen. Der 24-jährige Venezolaner lebt im grenznahen Bundesstaat Táchira zusammen mit seiner Großmutter und seiner Tante, die beide unter gesundheitlichen Problemen leiden. Ohne die Medikamente könnten sie kaum überleben, berichtet der junge Mann der Zeitung »El Tiempo«.

Graciano verkörpert die Tausenden Venezolaner, die auf der Suche nach dem Notwendigsten ins Nachbarland fahren. Nach Angaben der kolumbianischen Einwanderungsbehörde überqueren täglich rund 25 000 Venezolaner einen der sieben Grenzübergange. Die Hälfte von ihnen reist nur vorübergehend ein, um den Hunger zu stillen und sich mit Medikamenten und Hygieneprodukten zu versorgen.

Seit mehr als drei Jahren leidet Venezuela unter einem akuten Versorgungsmangel, ausgelöst durch eine Wirtschaftskrise und jahrelange Misswirtschaft. Das an Erdölvorkommen reichste Land der Welt ist zu mehr als 90 Prozent von Erdölexporten abhängig und schlitterte mit dem Fall des Ölpreises in eine tiefe Krise.

Ein regelrechter Exodus setzte ein, der mit der zunehmenden Gewalt und der Polarisierung nach der Einsetzung der umstrittenen verfassungsgebenden Versammlung noch zunehmen könnte. Nach Schätzungen des Migrationsforschers Iván de la Vega sind seit Beginn der Krise Anfang 2014 bis Anfang 2017 bereits mehr als 2,5 Millionen Venezolaner ausgewandert.

Das Nachbarland Kolumbien mit der rund 2200 Kilometer langen Grenze zu Venezuela ist dabei ein beliebtes Ziel. Knapp 600 000 Venezolaner besitzen laut Migrationsbehörde eine offizielle Genehmigung, die Grenze zu überqueren. Immer mehr Menschen kehren aber nicht nach Venezuela zurück, mehr als 200 000 Venezolaner hielten sich Ende Juli illegal in Kolumbien auf.

Vor allem der Grenzstadt Cúcuta im Nordosten des Landes bereitet die Zuwanderung Probleme. Schmuggel, Kriminalität und illegale Beschäftigung haben nach einem Bericht der Wochenzeitung »Semana« deutlich zugenommen. Die Zahl der illegal Beschäftigten lag bei rund 62 Prozent, die höchste landesweit, die Arbeitslosigkeit ist auf knapp 17 Prozent gestiegen.

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, sollen mehr als 200 000 Venezolaner eine Sonderaufenthaltserlaubnis bekommen, wie Außenministerin María Ángela Holguín vor gut einer Woche ankündigte. Diese Aufenthaltserlaubnis gilt für zwei Jahre und erlaubt den Flüchtlingen, zu arbeiten, zu studieren und das Gesundheitssystem zu nutzen. Bereits in den ersten 24 Stunden seit Inkrafttreten der Neuregelung wurden nach Angaben der Migrationsbehörde mehr als 22 000 Sondergenehmigungen erteilt. Regine Reibling

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