Hansa Rostock verliert drei Mal in 105 Minuten

Das Pokalspiel gegen Hertha BSC geht verloren, der DFB wird den Verein abstrafen, und die Polizei will erfahren, was die Klubführung wusste

  • Emanuel Reinke, Rostock
  • Lesedauer: 3 Min.

Im zugigen Ostseestadion war der beißende Rauch der Böller und Raketen längst verzogen, da stand den Klubverantwortlichen die Fassungslosigkeit noch immer ins Gesicht geschrieben. Hansa Rostocks Vorstandsvorsitzender Robert Marien entlud öffentlich seinen Frust: »20 bis 50 absoluten Vollidioten ist es offenbar wichtiger, das eigene Wohnzimmer, das Ostseestadion, abzufackeln, anstatt die Mannschaft zu unterstützen. Das zeigt, wie geistig minderbemittelt da einige sind«, sagte Marien nach den Ausschreitungen im Erstrundenpokalspiel gegen Hertha BSC. Und während der Manager des Bundesligisten, Michael Preetz, nach dem Pyro-Skandal noch mit versteinerter Miene nach Erklärungsansätzen suchte, schimpfte Hansas Boss auch über die Gästefans: »Da gibt es auch 20 bis 50 Vollchaoten, die nur so weit denken können, wie von der Tapete bis zur Wand.«

Feuerwerkskörper aus der Gästekurve, brennende Sitzschalen, Banner und Schals in den eigenen Reihen von Hansa Rostock. Das Ausmaß der Randale am Montagabend schockierte und wird für beide Vereine ein Nachspiel haben. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eröffnete am Dienstag ein Ermittlungsverfahren, das mindestens zu saftigen Geldstrafen führen wird. Besonders Rostock blickt mit Sorge auf die Entscheidung des DFB-Sportgerichts.

Erst kürzlich war der Drittligist wegen unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger in elf Fällen zu einem Komplettausschluss der Fans bei zwei Auswärtsspielen verurteilt worden. In einem Offenen Brief an die Zuschauer hatte der Klub angesichts der brisanten Vorgeschichte vor dem Pokalduell zur Besonnenheit und fairem Verhalten aufgerufen. Vergeblich. Im Verlauf der zweimal für insgesamt mehr als 15 Minuten unterbrochenen zweiten Halbzeit, in der Mitchell Weiser und Vedad Ibisevic kurz vor Schluss die beiden Tore erzielten, knallte und brannte es immer wieder.

Die Fanlager von Rostock und Hertha verbindet eine jahrelange Feindschaft, daher war das Duell auch als Hochrisikospiel eingestuft worden. 1400 Polizisten aus mehreren Bundesländern und über 300 Ordner waren im Einsatz. Vermeiden konnten auch sie die Krawalle nicht, bei denen immerhin niemand verletzt wurde.

In der Aufarbeitung muss sich Hansa kritische Fragen gefallen lassen: Wie konnte so viel Pyrotechnik auf die Tribünen gelangen? Warum wurden die verhassten Lager nebeneinander platziert, wenn auch mit einer kleinen Pufferzone dazwischen? Wie gelang ein vor drei Jahren gestohlenes Hertha-Banner, das auf der Tribüne verbrannt wurde, in Hansas Block? Letzteres beschäftigt auch die Polizei, die Hansa schwere Vorwürfe macht. Es liege »die Vermutung nahe, dass das Banner über vereinseigene Strukturen und mit Wissen von Vereinsoffiziellen ins Stadion gelangen konnte«, sagte Michael Ebert, Leiter der Polizeiinspektion Rostock. Klubpräsident Marien wies die Kritik zurück: Pauschale Verurteilungen von Vereinsmitarbeitern seien weder hilfreich noch gerechtfertigt. Er versprach jedoch eine gründliche Analyse gemeinsam mit der Polizei darüber, »was wir vielleicht verkehrt gemacht haben. Dem müssen wir uns stellen.«

Berlins Manager Preetz verurteilte die Randale ebenfalls und schloss die nicht unbescholtenen eigenen Ultras mit ein. »Das sind Vorgänge, die wir in keinem Stadion sehen wollen«, sagte Preetz: »Das wird ein Thema sein, dass Vereine, Verbände und die Fanlager in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigten wird.« SID/nd Kommentar Seite 4

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal