Wirtschaften ohne Quecksilber

Minamata-Konvention soll Ausstoß des Schwermetalls verringern, bietet aber Ausnahmen

  • Bernd Schröder
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Oktober 2013 trafen sich Unterhändler aus 140 Staaten in der japanischen Stadt Minamata, um ein über vier Jahre ausgehandeltes Abkommen zu unterzeichnen. Sein Ziel: die Verringerung der Gefahren, die von den Belastungen durch Quecksilber-Emissionen ausgehen. Im Mai 2017 hatten 50 Staaten das Übereinkommen ratifiziert, sodass es am 16. August 2017 in Kraft treten kann.

Das bei Raumtemperatur flüssige Edelmetall wurde seit Jahrhunderten in der Metallurgie verwendet und ist auch heute noch in verschiedenen Produkten im Einsatz. Von der geschätzten Gesamtmenge von 10 000 Tonnen Quecksilber, die heute in die Atmosphäre gelangen, stammen etwa 2000 Tonnen aus menschlicher Tätigkeit. Mehr als die Hälfte davon gehen auf das Konto der Verbrennung fossiler Energieträger, vor allem von Kohle.

Die Anreicherung von Quecksilber in der Umwelt ist zum einen das Erbe lange zurückliegender Emissionen, die durch fortgesetzte Wiedermobilisierung bereits abgelagerter Mengen bis in unsere Zeit fortdauern. Und auch heute noch kann Quecksilber in beträchtlichem Umfang neu anfallen, vor allem in der Goldgewinnung, in der Metallurgie und in der chemischen Industrie. Außerdem gibt es eine Reihe wichtiger Anwendungen von Quecksilber, etwa in Leuchtmitteln, Batterien sowie in der Schalt-, Mess- und Regelungstechnik.

Mit dem 2013 unterzeichneten Minamata-Übereinkommen soll der Ausstoß von Quecksilber weltweit begrenzt und so ein Beitrag zum Schutz von Gesundheit und Umwelt geleistet werden - sowohl dort, wo Quecksilber unmittelbar freigesetzt wird, als auch dort, wo es über verschiedene Transportmechanismen landet. Die Vertragsstaaten des Übereinkommens sollen dafür Sorge tragen, dass Verwendungen von Quecksilber in der Industrie künftig deutlich gedrosselt und Quecksilberabfälle nur unter strengen Auflagen entsorgt und gelagert werden.

Neue Quecksilberminen dürfen laut Übereinkommen nicht mehr erschlossen werden, bestehende Minen sind innerhalb der nächsten 15 Jahre zu schließen. Für die mengenmäßig bedeutsamsten Emissionsquellen - Kohlekraftwerke und die Goldgewinnung - sind unverbindliche Reduktionspläne mit großzügigen Übergangsfristen vorgesehen.

Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich außerdem zu einem Verbot bestimmter quecksilberhaltiger Produkte ab 2020: So dürfen dann quecksilberhaltige Leuchtmittel, Thermometerflüssigkeit, Pestizide oder Biozide nicht mehr produziert oder gehandelt werden. Allerdings können interessierte Länder für zunächst fünf Jahre für verschiedene Produktgruppen eine Ausnahme beantragen, darunter Leuchtstoffröhren, Relais, Fieberthermometer und Blutdruckmessgeräte. Amalgam-Zahnfüllungen werden ebenfalls durch die Übereinkunft reguliert - ihre Verwendung soll durch eine Reihe von Maßnahmen reduziert werden. Die Verwendung geringer Mengen von Quecksilberverbindungen als Konservierungsstoff in Impfstoffen ist bei fehlenden Alternativen weiterhin gestattet.

Als einer der umstrittensten Punkte auf dem Weg zum Übereinkommen galt seine Finanzierung. Bis zum Inkrafttreten der Konvention und den mit ihr ausgehandelten Finanzierungsmechanismen hatten die Schweiz, Norwegen und Japan Anschubfinanzierungen in Aussicht gestellt. Das Abkommen klammert Fragen nach einer Entschädigung von Opfern aus, ebenso die nach der Haftung im Falle einer notwendig werdenden Sanierung quecksilberverseuchter Gebiete.

Während im 19. Jahrhundert noch Nordamerika und Europa die dominierenden Quecksilber-Emittenten waren, hat diese Rolle nun Asien übernommen. Die Emissionsmengen in Afrika, Südamerika und Asien steigen konstant und liegen heute über denen des Westens. Allein China ist heute für ein Drittel der weltweiten anthropogenen Emissionen zuständig, eine Folge des Wirtschaftswachstums und des stark gewachsenen Energiehungers des Landes. China beharrte in der jüngeren Vergangenheit wiederholt auf seinem Recht auf Entwicklung, die Notwendigkeit einer Freisetzung von Quecksilber inbegriffen. Das Land hat das Übereinkommen 2016 dennoch ratifiziert.

Als besonders kritisch für die Umsetzung der Konvention gelten Regionen, wo die Goldgewinnung vor allem von vielen einzelnen Goldwäschern betrieben wird, insbesondere in Subsahara-Afrika und Lateinamerika. Subsahara-Afrika ist wegen der Goldförderung mit 16 Prozent mittlerweile der zweitwichtigste globale Emittent.

Für die Industriestaaten der westlichen Welt werden mit dem Inkrafttreten des Abkommens hingegen keine einschneidenden Änderungen erwartet, allenfalls minimale Anpassungen. Wesentliche Bestandteile der Konvention wurden bereits umgesetzt. 2013 waren die EU-Mitgliedsstaaten beispielsweise noch für rund drei Prozent der globalen anthropogenen atmosphärischen Quecksilber-Emissionen verantwortlich. Umso mehr will man nun bei den Vertragspartnern auf die Umsetzung der Konvention drängen, da 40 bis 80 Prozent des sich in Europa niederschlagenden Quecksilbers aus anderen Gegenden der Welt stammen.

Im September 2017 will man sich bereits zu einer ersten Vertragsstaatenkonferenz treffen, auf der über eine Konkretisierung der vereinbarten Regeln des Minamata-Übereinkommens verhandelt werden soll.

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