Gabriels Eigenlob stinkt zum Himmel
Die Behauptung, der Druck auf die Türkei wirke, ist zynisch, findet Nelli Tügel
Die neue deutsche Türkei-Politik wirkt. Das wenigstens meint der Außenminister und tut es drum im Gespräch mit dem »Kölner Stadt-Anzeiger« kund. Zuerst ist das natürlich ein Eigenlob zu Wahlkampfzeiten. Denn es war ja Gabriel selbst, der die »Kursänderung« gegenüber der Türkei im Juli verkündete. Viel passiert ist seither nicht, zumindest nicht bei der Freilassung von Deniz Yücel, Meşale Tolu oder Peter Steudtner. Von türkischen Oppositionellen, die gerade im Stundentakt in den Knast wandern, gar nicht zu reden. Auch hier keine Verbesserung, nirgends. Man fragt sich: Geht’s noch, Gabriel?
Es geht. Denn die Gefangenen werden in besagtem Interview einfach nicht erwähnt, mit keiner Silbe. Vielmehr geht es um: die deutsche Wirtschaft. Als Beleg für die Wirksamkeit des »Drucks« führt der Minister den Rückzug jener Terrorliste an, auf der 680 deutsche Firmen standen. Recht hat er ja. Da hat die Türkei gekuscht - allerdings nur da. Interessant ist: Diese Liste tauchte zur gleichen Zeit auf, als Steudtner verhaftet wurde. Der offizielle Grund für die »Neuausrichtung« der Türkei-Politik war die Verhaftung des Menschenrechtlers. Kritische Geister haben allerdings schon vermutet, dass vielmehr die Liste die scharfen Töne gegenüber Ankara ausgelöst hat. Diesen ekligen Zynismus - erst wenn es um deutsches Kapital geht, bewegt sich was und das reicht der Bundesregierung dann auch - hat Gabriel nun erfrischend ehrlich bestätigt.
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