Geflüchtete verlassen ICC-Höhle
In den nächsten zwei Wochen sollen alle Bewohner der Notunterkunft umziehen
Die Bewohner des ehemaligen Internationalen Congress Center (ICC) gehen ihre gewohnten Gänge. Eine junge Frau will mit ihrem Vater zum Arzt, ein Familienvater geht mit seiner Frau spazieren. In den nächsten zwei Wochen sollen sie in andere Unterkünfte gebracht werden, an welchem Datum sie umziehen werden, wissen sie jedoch nicht. »In den nächsten Tagen werden wir einen Brief bekommen, dann wissen wir mehr«, erzählt ein Mann, der mit seiner Frau und Kindern in der Unterkunft lebt. Seinen Namen möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen.
»Der Umzug ist immer schwierig, auch wenn sich viele Menschen auf die neuen Unterkünfte freuen werden«, sagt Monika Hebbinghaus, Sprecherin des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), das die Umzüge betreut. Das LAF arbeitet dabei in enger Absprache mit dem Malteser Hilfsdienst zusammen, der die Notunterkunft für Geflüchtete betreibt.
Mehr als 200 Menschen leben noch in der Notunterkunft. An diesem Freitag sollen erst einmal elf Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern umziehen. Dabei handele es sich um einen Probelauf - um zu sehen, wie die folgenden Umzüge ablaufen können - erklärt Jenny Rumohr, die Leiterin der Einrichtung. »Das LAF ist heute auch vor Ort, um zu sehen, dass die Abläufe reibungslos laufen«, sagt Rumohr.
Am Vormittag besuchte Leon Friedel, Integrationsbeauftragter von Charlottenburg-Wilmersdorf, das Flüchtlingsheim, um sich seinerseits über die Verträglichkeit der Umzüge zu informieren. »Wir vom Bezirk sind natürlich auch interessiert daran, dass gerade Familien mit schulpflichtigen Kindern in die Nähe verlegt werden«, so Friedel. Für dieses Ziel hatte sich im Vorfeld der Umzüge auch die Initiative Willkommen im Westend engagiert. »Es gab im Voraus viele Versprechen, dass diese Umzüge besser organisiert werden sollen als frühere. Ob diese Versprechen gehalten werden, wissen wir aber nicht«, sagt Amei von Hülsen-Poensgen, die Mitglied der Hilfsinitiative ist.
Während die Umzüge erst Anfang September abgeschlossen sein sollen, nahm die CDU den beginnenden Auszug zum Anlass, neue Pläne für das ICC zu fordern. Stefan Evers, Generalsekretär und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion, sagte: »Meistern muss der Senat jetzt endlich die Frage, wie es mit dem ICC weitergehen soll.«
Für Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) standen dagegen die Menschen im Vordergrund. Sie sagte zu der Schließung der Asylunterkunft: »Die Bewohnerinnen und Bewohner werden sich sicherlich in ihrem neuen Wohnumfeld schnell einleben, denn alle werden nun in deutlich besseren Unterkünften untergebracht.« Auch die Präsidentin des LAF, Claudia Langeheine, blickte der Auflösung der Unterkunft positiv entgegen: »Das ICC war damals gut genug für den Moment der Not, als die Geflüchteten dringend ein Obdach brauchten. Es ist Zeit, dass sie von dort jetzt in deutlich bessere Gemeinschaftsunterkünfte ziehen, in denen sie selbst kochen können und mehr Privatsphäre haben.« Ob der letzte Punkt für alle Betroffenen eingehalten werden kann, wird sich zeigen. Denn einige Bewohner werden in die Erstaufnahmeeinrichtung Eschenallee umziehen, wo noch immer etwa 100 von 400 Bewohnern das Kochen verboten wird.
Während die Geflüchteten im Messedamm auf ihre Briefe warten, herrscht auch beim Sicherheitspersonal der Firma Gegenbauer Anspannung. »Ich weiß noch nicht, ob ich nach den Umzügen wieder engagiert werde«, sagt ein Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens, der in den letzten Monaten vor der Unterkunft tätig war und ebenfalls nicht namentlich erwähnt werden will. »Morgen habe ich noch ein Bewerbungsgespräch, hoffentlich werde ich dann in einer anderen Unterkunft etwas finden, auch wenn ich mich an die Menschen und den Ort hier sehr gewöhnt habe«.
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