Wahlkampf über den 24. September hinaus

In Hessen stehen kommendes Jahr Landtagswahlen und in Frankfurt am Main Oberbürgermeisterwahlen an

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn am 24. September um 18 Uhr im ganzen Land die Wahllokale schließen, beginnt in Hessen erst der Wahlkampf. Ministerpräsident Volker Bouffier, der seit 2010 den Chefsessel in der Staatskanzlei besetzt, geht es bei der Landtagswahl kommendes Jahr in erster Linie um die Fortsetzung der relativ geräuschlos regierenden schwarz-grünen Koalition, die der Christdemokrat im vorgerückten Alter offenbar als sein Lebenswerk und Referenzprojekt weit über Hessen hinaus ansieht. Weil er in dieser Hinsicht vor und nach der Wahl auf Nummer sicher gehen will, stellte der 65-jährige Regierungschef dieser Tage klar, dass er weiter als unangefochtener Spitzenmann der Union antreten und von einem Rückzug aus Altersgründen nichts wissen wolle.

Ein in den letzten Wochen von Bouffier und dem Grünen-Spitzenmann und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir gemeinsam konzipiertes und bereits für diesen September angepriesenes Buchprojekt mit dem Titel »So geht Schwarz-Grün« wurde in der vergangenen Woche allerdings kurzfristig ausgebremst. Es soll nun doch nicht mehr vor der Bundestagswahl auf den Markt kommen. Politische Beobachter spekulieren darüber, ob dies aus technischen »Sachzwängen« heraus geschah oder der Rücksichtnahme auf Parteifreunde und auf andere als Koalitionspartner im Bund in Frage kommende Parteien geschuldet ist. Das Buch werde in einer aktualisierten Fassung Anfang 2018 erscheinen, ließ der Freiburger Herder-Verlag wissen.

Für Hessens Grüne, die Mitte der 1980er Jahre mit ihrem »Turnschuhminister« Joschka Fischer an der Spitze erstmals in eine rot-grüne Landesregierung eintraten und als Hochburg des starken »Realoflügels« gelten, soll die anstehende Bundestagswahl vor allem eines bringen: die Rückkehr in eine wie auch immer geartete Bundesregierung nach zwölf Jahren Abstinenz. Dies unterstrich die hessische Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende Daniela Wagner am Montag vor Journalisten in der Landeshauptstadt. Nur mit einer grünen Regierungsbeteiligung im Bund und Rückenwind aus Berlin könnten die grünen Minister in Hessen Projekte wie Lärmschutz oder Ökolandbau entscheidend vorantreiben, so Wagner. Sie ist Gattin des Darmstädter Oberbürgermeisters Jochen Partsch, der als erster Repräsentant der einstigen Ökopartei Verwaltungschef einer hessischen Großstadt wurde und diesen Posten im vergangenen März gleich im ersten Wahlgang erfolgreich verteidigen konnte. Darmstadt wird von Grünen und CDU regiert.

Für die SPD, die in ihrer früheren Hochburg Hessen mittlerweile seit 18 Jahren in der Opposition sitzt und endlich wieder in die Staatskanzlei einziehen möchte, geht es im kommenden Jahr um alles oder nichts. Psychologisch wichtig für sie ist dabei die Frankfurter Oberbürgermeisterwahl im kommenden Februar, die auf das gesamte Land ausstrahlen dürfte. In der Bankenmetropole hatte der SPD-Mann Peter Feldmann 2012 überraschend den Chefsessel im Rathaus erobert und den CDU-Bewerber und Landesminister Boris Rhein geschlagen. Feldmanns Koalitionspartner CDU und Grüne treten in der Wahl mit eigenen Bewerbern an.

Die Frankfurter LINKE, die 2016 mit acht Prozent acht Sitze in der Stadtverordnetenversammlung errang, wird aller Voraussicht nach am Dienstagabend Janine Wissler als ihre OB-Kandidatin küren. Die 36-Jährige ist Linksfraktionschefin im Landtag und war bereits 2012 als Kandidatin angetreten. Zu den Problemen, die Wissler in den Mittelpunkt rücken möchte, gehören der Mangel an erschwinglichem Wohnraum in der weiter wachsenden Bankenmetropole und die im bundesweiten Vergleich sehr hohen Tarife im öffentlichen Personennahverkehr. Politische Beobachter gehen davon aus, dass Wissler und der LINKE-Landesvorsitzende Jan Schalauske als Doppelspitze für ihre Partei in den Landtagswahlkampf ziehen werden.

Schalauske ist Stadtverordneter in Marburg und errang Mitte 2015 als Bürgermeisterkandidat seiner Partei in der mittelhessischen Universitätsstadt mit 9,8 Prozent einen Achtungserfolg. Er schnitt damit besser ab als die Grünen-Bewerberin. Hessen ist das einzige größere westliche Flächenland, in dem die LINKE seit ihrer Gründung vor zehn Jahren dreimal in Folge den Einzug in ein Landesparlament schaffte. Insofern steht für die Partei beim Urnengang Ende 2018 viel auf dem Spiel.

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