Richtung Pleite

Auf der Hansalinie fließt zu wenig Lkw-Maut / Investoren wollen 640 Millionen Euro einklagen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine fröhliche Miene und durchweg optimistische Töne war man gewohnt, wenn Jörg Bode (FDP) in seiner Zeit als Niedersachsens Verkehrsminister irgendetwas aus seinem Amtsbereich übergab, einweihte oder betrachtete. So bejubelte er einst den Wilhelmshavener Tiefseehafen Jade-Weser-Port trotz dessen Pleiten und Pannen als »eine wahre Freude«. Zurückhaltender aber gab sich Bode, als er am 11. Oktober 2012 das in privat-öffentlicher Partnerschaft gebaute Teilstück der A1 zwischen Hamburg und Bremen freigab.

Zwar lobte Bode die relativ kurze Bauzeit von vier Jahren, in denen neben der sechsspurigen 70 Kilometer langen Strecke acht Anschlussstellen sowie achtzehn Park- und Rastanlagen entstanden waren. Aber ob es richtig war, das »Hansalinie« genannte Teilstück in Öffentlich-Privater-Partnerschaft (ÖPP) zu bauen, das werde sich erst in der Zukunft erweisen.

Ein bisschen Zweifel klang da heraus, und wohl zu Recht. Steht doch A1 Mobil, das Betreiberkonsortium der Strecke, nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« kurz vor der Pleite. Drei Firmen hatten seinerzeit die Baugemeinschaft gebildet und in das Vorhaben über eine halbe Milliarde Euro investiert: Der Baukonzern Bilfinger Berger, ein britischer Finanzinvestor und das Bauunternehmen Bunte aus Papenburg im Emsland.

Ihr Zusammenschluss muss sich um den Unterhalt der Hansalinie kümmern, das verschlingt eine Menge Geld. Dennoch sah das Konsortium jenen Aufgaben offensichtlich gelassen entgegen, winkte doch eine sicher scheinende Einnahmequelle: die Maut! Dreißig Jahre lang sollten die Investoren als Gegenleistung für die Betreuung des Verkehrsweges einen festgelegten Teilbetrag aus der Lkw-Maut bekommen. Doch weil immer dann, wenn die Wirtschaft schwächelt, auch der Lkw-Verkehr schwächer wird, wurde A1 Mobil in puncto Maut-Zufluss bitter enttäuscht, zumal der Bund einen vertraglich vereinbarten festen Teilbetrag zurückhält und davon nichts ans Konsortium abgibt.

Bei dem klafft mittlerweile ein so großes Finanzloch, dass A1 Mobil von einer »existenzbedrohenden Situation« schreibt. Helfen könnte der Bund, doch der will nicht. Dem Konsortium aber sitzen Gläubiger im Nacken, und pleitegehen möchten die einst so optimistischen Autobahnbauer keinesfalls, so dass ihnen nur noch ein Weg offen geblieben ist: der zum Gericht. Mit einer Klage wollen sie den Bund zur Zahlung von 640 Millionen Euro zwingen, das Schriftstück ist schon bei der Justiz eingetroffen, heißt es.

Ob Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) klug handelt, wenn er sich gegen die große Geldspritze an A1 Mobil stemmt, darf bezweifelt werden. Immerhin gilt er als großer Freund solcher Projekte, die in Öffentlich-Privater-Partnerschaft entstehen. Lässt der Minister nun durch die Verweigerung finanzieller Unterstützung ein Konsortium in die Pleite schlittern - Investoren eines jener Projekte, die er doch so schätzt -, so könnte das für ihn unangenehme politische Auswirkungen haben, die Bundestagswahl steht vor der Tür.

Herbe Kritik dürfte der ÖPP-Berfürworter Dobrindt angesichts des Debakels um A1 Mobil dieser Tage auch von jenen einfahren, die das privat-öffentliche Zusammenwirken beim Bau öffentlicher Verkehrswege nicht gutheißen. Das aktuelle Beispiel zeige, »wie unseriös und schädlich« die ÖPPs sind, meint beispielsweise Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Sofern die Investoren ihre 640 Millionen Euro bekommen, zahle die Zeche letztlich der Steuerzahler, so der Politiker.

Und anders als sein Amtsvorgänger Bode, steht auch Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) dem ÖPP-Autobahnbau ablehnend gegenüber. »Straßen gehören zur öffentlichen Daseinsvorsorge und deshalb in die öffentliche Hand«, sagte der Ressortchef am Mittwoch.

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