Dieppe

Kalenderblatt

  • Horst Diere
  • Lesedauer: 2 Min.

In der Nacht vom 18. zum 19. August 1942 verließen unter dem Schutz von acht Zerstörern rund 250 Schiffe die südenglischen Häfen Portsmouth und Gosport. Sie nahmen Kurs auf die nordfranzösische Hafenstadt Dieppe. An Bord 5000 Soldaten der 2. kanadischen lnfanteriedivision sowie 1000 Mann aus britischen Kommandos mit 28 Panzern.

Die seit April 1942 geplante Operation unter dem Decknamen »Jubilee« sollte Aufschluss über die deutsche Verteidigungstaktik im Falle einer späteren alliierten Großlandung erbringen und begrenzte militärische Aufträge erfüllen wie die Ausschaltung der deutschen Küstenbatterien, Zerstörung der Hafenanlagen, der Radarstation und des Feldflugplatzes. Den Raum um die Stadt Dieppe hatten die britischen Planungsstäbe trotz der beengenden Steilküstenabschnitte ausgewählt, weil er als nur leicht verteidigt galt und im Aktionsradius der Royal Air Force lag. Politischer Hintergrund des Unternehmens aber war das Bemühen des britischen Premierministers Churchill und des amerikanischen Präsidenten Roosevelt, den sowjetischen Verbündeten zu beschwichtigen, der seit dem 22. Juni 1941 die Hauptlast des Krieges trug und nach wie vor auf die Errichtung einer zweiten Front drängte. Die war von den westlichen Alliierten der Sowjetunion noch für das Jahr 1942 zugesagt. Während Roosevelt zunächst daran festhielt, gelang es Churchill im Juli 1942, seine Absicht gegenüber der amerikanischen Seite durchzusetzen, statt in Nordfrankreich eher in Nordafrika zu landen und auf dieses Unternehmen unter der Codebezeichnung »Torch« (engl. Fackel) alle Kräfte zu konzentrieren.

Bei der Annäherung traf die östliche Landungsgruppe von »Jubilee« auf einen deutschen Küstenkonvoi, wodurch das Überraschungsmoment weitgehend verloren ging. An der westlichen Flanke gelang zwar die Landung, doch scheiterte der Hauptangriff gegen den Hafen Dieppe am unerwarteten und unterschätzten Widerstand des Gegners. Nach schweren Verlusten waren die Reste der gelandeten Kräfte gezwungen, sich auf den der Vernichtung entgangenen Landungsfahrzeugen wieder einzuschiffen. Das Dieppe-Debakel endete für die Alliierten mit mehr als 1200 Toten und etwa 2000 Gefangenen.

Churchill diente das Scheitern von »Jubilee« als angeblich schlüssiger Beweis für die Schwierigkeiten einer Großlandung an der französischen Küste und damit letztlich als Vorwand für die bis zum 6. Juni 1944 andauernde Verzögerung einer zweiten Front in Westeuropa. Von der NS-Propaganda wurde das alliierte Desaster in seiner Bedeutung zum maßlos übertriebenen, deutschen militärischen Erfolg aufgebauscht und zur Stärkung des Durchhaltewillens ausgenutzt. Von massiver Propagandakampagne begleitet, wurde ferner der Ausbau des »Atlantikwalls« forciert.

Heute gibt es am Strand ein Denkmal sowie eine Gedenkstätte für die Gefallenen von »Jubilee«. Horst Diere

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