Niederländische Koalition unter Druck

Wahlen zu Provinzialparlamenten könnten Mehrheitsverlust im Senat bringen

  • Tobias Müller, Amsterdam
  • Lesedauer: 2 Min.
Die heutigen Wahlen zu den zwölf Provinzialparlamenten der Niederlande könnten ein Stolperstein für die Koalition werden: Ihr droht der Verlust der Senatsmehrheit.
Eigentlich geht es um räumliche Ordnung, Verkehrs- und Infrastrukturprojekte, Landschaftsplanung und Tourismus. Die großen Themen werden selten auf Provinzebene behandelt. Dementsprechend ist die Wahlbeteiligung traditionell niedrig. Rund 47 Prozent gaben 2003 ihre Stimme ab. Einzig für periphere Patrioten wie die Friesische Nationale Partei stellen solche Wahlen einen Höhepunkt dar. Allerdings haben sie indirekt starken Einfluss auf die nationale Politik. Die Abgeordneten wählen nämlich im Mai die Mitglieder des Senats, der die Gesetzesentwürfe der Zweiten Kammer blockieren kann. Für die kürzlich vereidigte Regierung aus CDA, PvdA und ChristenUnie ist eine Mehrheit in diesem Gremium daher eminent wichtig. Momentan verfügt sie über 44 der 75 Sitze. Dass sie diese behält, ist den jüngsten Umfragen zufolge jedoch fraglich. Das sozialkonservative Regierungsprogramm würde momentan keine Mehrheit finden. Bei der Kammerdebatte zum Inhalt des Koalitionsvertrags gab es letzte Woche heftigen Gegenwind aus der Opposition. Dabei zeichnete sich ein strategisches Bündnis zwischen den Vorsitzenden der Sozialistischen Partei und der rechtsliberalen VVD, Jan Marijnissen und Mark Rutte, ab. Beide setzen auf den Senat, um »der Regierung auf die Finger klopfen zu können«, wie SP-Kampagnenleiter Hans van Heijningen erklärte. Zudem untergraben wesentliche inhaltliche Konflikte die Integrationskraft der Koalition. Die PvdA wurde von linken Oppositionsparteien an das Vorhaben erinnert, die Gründe für die niederländische Beteiligung am Irakkrieg durch eine Kommission untersuchen zu lassen. Dass dieses Anliegen dem gemeinsamen Nenner des Koalitionsvertrags geopfert wurde, stößt vielen Sozialdemokraten auf. Vor allem die konservativen Parteien gerieten dagegen durch einen Vorstoß des Scharfmachers Geert Wilders unter Druck. Sein Misstrauensantrag gegen zwei PvdA-Staatssekretäre türkischer, bzw. marokkanischer Herkunft löste eine Grundsatzdebatte um die doppelte Staatsbürgerschaft von Volksvertretern aus. Obwohl keine andere Partei den Antrag unterstützte, ging die Strategie auf: Das Thema ist auf der Agenda, und Umfragewerte bestätigen nicht nur seine Aktualität, sondern unterstützen auch die Position Wilders. Folglich mehren sich auch in der Koalition Forderungen, eine doppelte Staatsbürgerschaft auszuschließen. Ungeachtet dessen drohte die PvdA bereits, aus der Koalition auszusteigen, wenn Nebahat Albayrak und Ahmed Aboutaleb zum Rücktritt gezwungen würden. Nachdem die Parlamentswahlen von einer auffälligen Abwesenheit des Themas Integration geprägt waren, dürfte es beim heutigen Urnengang wieder eine Rolle spielen. Gerechnet wird mit einem deutlichen Zuwachs der VVD, die unter den etablierten Parteien den xenophoben Reflex am ehesten bedient.
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