Louisiana rüstet sich für Fluten

Sturm »Harvey« bedroht New Orleans, das schon von »Katrina« verwüstet wurde

  • Lesedauer: 4 Min.

Houston. Nach tagelangen beispiellosen Regenfällen über dem US-Bundesstaat Texas hat Tropensturm »Harvey« jetzt Louisiana erreicht. Nach Angaben des Nationalen Hurrikan-Zentrums traf »Harvey« am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) in der Grenzregion der beiden Nachbarstaaten zum zweiten Mal auf Land. Die Meteorologen warnten vor lebensbedrohenden Überflutungen. New Orleans, das bereits 2005 vom Wirbelsturm »Katrina« verwüstet wurde, rüstet sich für katastrophale Regenfälle.

Bürgermeister Mitch Landrieu hat den Bewohnern empfohlen, ihr Haus nicht zu verlassen. Er riet ihnen, Essen, Getränke und Medikamente für mindestens drei Tage vorrätig zu haben. Einem Bericht des Senders CNN zufolge hat der Bundesstaat die Zahl seiner Rettungsboote und der einsatzbereiten Hubschrauber verdoppelt. Sorgen bereitete eine bislang nicht funktionierende Großpumpe im Abwassersystem der Stadt, die dem Bürgermeister zufolge aber inzwischen von Experten repariert worden ist. Derzeit seien 107 der insgesamt 120 Pumpen in New Orleans im Einsatz.

In Texas blieb die Lage unübersichtlich. Über die genaue Zahl der Todesfälle herrschte Unklarheit. Die »New York Times« berichtete am Dienstagabend (Ortszeit) von etwa 30 Toten durch »Harvey«. Nach Angaben von CNN vom frühen Mittwochmorgen wurden mindestens elf Tote bestätigt. Darunter befindet sich den Berichten nach ein Polizist aus Houston, der am Sonntag auf dem Weg zur Arbeit von den Fluten erfasst worden sei.

»Wenn die Straßen in Texas erst einmal wieder passierbar sind, erwarte ich einen signifikanten Anstieg der Todeszahlen«, sagte ein Gerichtsmediziner der »New York Times«. Klarheit dürfte aber erst herrschen, wenn die Fluten zurückgegangen sind und die Bergungstrupps Zugang zu den überfluteten Häusern bekommen. In Houston verhängte Bürgermeister Sylvester Turner am Dienstagabend eine Ausgangssperre, um Plünderungen zu verhindern.

US-Präsident Donald Trump machte sich am Dienstag in der vom Hochwasser betroffenen Stadt Corpus Christi ein Bild von der Lage. Trump besuchte eine Feuerwache und lobte die Arbeit von Einsatzkräften und Behörden. »Texas kommt mit allem zurecht«, sagte der Präsident. Zahlreiche Wirtschaftsführer und Prominente spendeten zum Teil große Summen für die Hochwasseropfer. Viele Opfer sind nicht gegen Flutschäden versichert.

Verwirrung gab es um einen Dammbruch in der Nähe von Houston. Die Behörden im Brazoria County hatten den Bruch bekannt gegeben und die Bewohner unterhalb des Dammes zum sofortigen Verlassen ihrer Häuser aufgefordert. »Macht, dass ihr wegkommt!« Anschließend hieß es, der Damm sei stabilisiert, die ausgetretene Wassermenge sei vernachlässigbar. Auch in Brazoria County wurde eine Ausgangssperre zum Schutz vor Plünderern für die Gegenden verhängt, wo eine Zwangsevakuierung angeordnet worden war.

Die sintflutartigen Regenfälle erreichten derweil einen Rekordwert: In der Stadt Pearland im Südosten von Houston wurden seit Freitag insgesamt Niederschlagsmengen von 125 Zentimetern gemessen, wie der Nationale Wetterdienst mitteilte. Das markiere einen Rekord bei einem Tropensturm auf dem US-Festland. Im Jahr 1978 waren demnach beim Sturm »Amelia« 124 Zentimeter gemessen worden.

In Houston kündigte Bürgermeister Sylvester Turner an, weitere Notquartiere für Schutzsuchende zu öffnen. Nach Angaben des Roten Kreuzes suchten in Texas bereits in der Nacht zum Dienstag rund 17 000 Menschen Zuflucht in Notunterkünften. Die Infrastruktur in und um die Metropole ist weitgehend zusammengebrochen. Rettungskräfte kämpften sich mit Booten durch die braunen Wassermassen, um festsitzende Menschen aus ihren Häusern zu befreien.

Nach Angaben von Meteorologen ist »Harvey« der zweitstärkste Wirbelsturm seit »Katrina« vor zwölf Jahren in der Gegend um New Orleans. Der Sturm sog über dem sehr warmen Golf von Mexiko extrem viel Feuchtigkeit auf, die er nun als Regen abgibt.

Klimaforscher Mojib Latif sieht einen Zusammenhang zwischen »Harvey« mit seinen verheerenden Regenfällen und dem Klimawandel. Dieser habe schon eine gewisse Rolle gespielt, sagte Latif am Mittwoch im Deutschlandfunk: »Wir warnen schon lange genau vor solchen Situationen.« Auf die Frage, ob sich US-Präsident Donald Trump irgendwann der Meinung anschließen werde, dass solche Katastrophen Teil des Klimawandels seien, sagte er: »Ich glaube es nicht.« Trump sei aus seiner Sicht »absolut beratungsresistent«. »Auch dieses Ereignis wird die Meinung des Präsidenten nicht verändern.« dpa/nd

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