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Plötzlich Innenminister

Auf den entlassenen Holger Poppenhäger folgt Georg Maier - das Problem bleibt: die Thüringer Gebietsreform

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei der Gebietsreform, sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) seit Monaten schon, gehe es nicht mehr um das Ob. Sondern nur noch um das Wie. Und deshalb ist es nur folgerichtig, dass es auch beim Abgang des Mannes, der seit Monaten selbst von den eigenen Leuten dafür verantwortlich gemacht wird, dass diese Gebietsreform im Freistaat so vor die Wand gefahren ist, längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie ging. Nun ist es raus: Gegen seinen Willen verliert Holger Poppenhäger seinen Job im Kabinett der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen. »Er ist nicht zurückgetreten«, sagt der Vorsitzende der Landes-SPD, Andreas Bausewein, am Mittwoch in Erfurt, als er diese Personalie bekannt gibt. Auf der Urkunde, die Poppenhäger zum Abschied aus dem Amt erhalte, werde »Entlassung« stehen. Das, sagt Bausewein, sei seine Entscheidung gewesen. Er sei als Landesvorsitzender der Sozialdemokraten der Meinung gewesen, dass es Zeit für einen personellen Neuanfang an der Spitze des Innenministeriums ist. Die öffentliche Darstellung der SPD in den vergangenen Wochen sei »eine Katastrophe« gewesen, Poppenhäger sei für alles verantwortlich gemacht worden, was bei der Gebietsreform schief gelaufen sei. Teilweise, sagt Bausewein, zu Unrecht. Aber doch sei es so gewesen.

Subtext bei Bausewein: »Ich habe deshalb Konsequenzen gezogen.« Womit der SPD-Mann plötzlich sehr viel mehr Führungsstärke zeigt als in der Vergangenheit, in der er sein Amt als Thüringer Spitzengenosse vor allem als Ehrenamt gesehen hat, wofür er ebenfalls aus den eigenen Reihen heftig kritisiert worden war. Die Entlassung Poppenhägers ist deshalb auch ein versuchter Befreiungsschlag für Bausewein.

Nur zwei Stunden, nachdem Bausewein so ungewohnt deutlich schilderte, wie Poppenhäger sein Amt verloren hat, wird dessen Nachfolger bereits im Landtag vereidigt: Georg Maier, Banker, Sozialdemokrat und zuletzt Staatssekretär im Thüringer Wirtschaftsministerium, wo er sich vor allem um den Tourismus gekümmert hat. Seine in der Öffentlichkeit am meisten beachtete Aktion: Er ist den kompletten Rennsteig abgewandert, um die Probleme der Menschen in der Branche, aber auch der Gäste des Freistaats selbst zu erleben. Nun ist er Innenminister und damit eben nicht nur für die Gebietsreform verantwortlich, sondern auch für Polizei und Verfassungsschutz, den komplizierten Kommunalen Finanzausgleich und vieles, vieles mehr.

Für Maier ist der neue Job damit ein ebenso kometenhafter wie unerwarteten Aufstieg, der gleichzeitig die Personalnöte in der Thüringer SPD illustriert und deutlich macht, wie verzweifelt Rot-Rot-Grün die Gebietsreform noch zu retten versucht. Was Maier auch weiß. Er sei, sagt Maier, überzeugt, »dass die Reform im Kern - fachlich, inhaltlich - gut gemacht ist«. Nur sei sie eben in der Vergangenheit schlecht kommuniziert worden. Das wolle er nun sofort ändern, sagt Maier, als er hinter Bausewein hervortritt, um in groben Umrissen zu skizzieren, wie er den neuen Job ausfüllen wolle - und fällt sofort wieder ins Bankerdeutsch. »Letztliche geht es darum, ein gutes Produkt auch gut zu verkaufen.«

Alle Fraktionen von Rot-Rot-Grün versichern Maier noch vor seiner Vereidigung, dass sie ihn dabei unterstützen wollen. Während die Opposition zeitgleich schon ätzt, die eine politische Bankrotterklärung der Regierung Ramelow in dieser Personalie sieht. Thüringens CDU-Landesvorsitzender Mike Mohring twittert zum Beispiel, nun sei endgültig klar, welche »Chaostruppe« bei Rot-Rot-Grün am Werk sei: »In Ramelows Linkskoalition herrscht völliges Durcheinander.«

Ob Maier der richtige Mann an der Spitze des so skandalumwitterten und schwer zu kontrollierenden Thüringer Innenministeriums ist, wird sich noch zeigen müssen. Da ist es eben wieder, das Ob. Und das wird schnell gehen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Dirk Adams, sagt kurz vor der Vereidigung Maiers, er fürchte, der neue Innenminister werde die übliche 100-Tage-Schonfrist in seinem neuen Amt nicht haben. Womit der Rahmen für das Wie der ersten Monate im Amt abgesteckt ist.

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