Das letzte Turnier der Superhelden

Im Streit um Spieltermine verlieren die Basketballdachverbände den Zugang zu ihren Stars

Die FIBA Europe dürfte glücklich sein. Der europäische Basketballverband veranstaltet gerade in vier europäischen Städten seine EM, und die meisten Stars der Szene sind dabei. Nach den ersten beiden Spieltagen waren die neun besten Punktesammler aktuelle oder ehemalige Spieler aus der NBA. Mit ihnen kann man Plakate bedrucken und Highlight-Filmchen produzieren. Das Produkt bekommt den nötigen Glanz, der die Fans an die Bildschirme und in die Arenen lockt, damit sie ihren Superhelden zujubeln. Doch damit könnte es bald vorbei sein, denn der europäische und der Weltverband FIBA wollen den Starrummel noch ein bisschen mehr ausreizen. Am Ende könnte das zum Boomerang werden.

Bislang werden Basketballländerspiele und internationale Turniere nur im Sommer ausgetragen, denn zwischen Juli und September machen fast alle Klubwettbewerbe Pause. Im Rest des Jahres verdient die FIBA aber kein Geld und ist kaum in den Medien vertreten. Um das zu ändern, hat der Verband beschlossen, dass es nach dem Vorbild der Fußballer ab diesem Herbst Länderspielfenster geben wird. So stehen demnächst WM-Qualifikationsspiele auch im November, Februar und Juni an. Hochglanzprodukte werden sie aber aller Voraussicht nach nicht sein.

Nationale Verbände haben in den meisten Fällen mit ihren Ligen Abstellpflichten und Entschädigungszahlungen für die Vereine vereinbart. In Nordamerika existiert keine solche Pflicht, weshalb die NBA für die neuen Termine ihren engen Spielplan nicht unterbrechen will. NBA-Stars werden also in der Qualifikation fehlen. Doch auch die Euroleague, Europas größter internationaler Vereinswettbewerb stellt sich im Streit mit der FIBA Europe quer. Sie will ihre Partien weiterhin auch zu diesen Terminen austragen und keine Spieler freistellen.

Im Endeffekt würden den Topnationen fast alle Spieler ihrer A-Teams verlorengehen, besonders also Spanien, Frankreich, Italien - und mittlerweile sogar Deutschland. Vom aktuellen EM-Kader würden Isaiah Hartenstein (Kaunas), Johannes Voigtmann (Vitoria), Maodo Lo, Lucca Staiger und Patrick Heckmann (alle Bamberg) wegen Einsätzen in der Euroleague fehlen. Dazu Dennis Schröder, Daniel Theis, sowie die derzeit pausierenden Paul Zipser und Maximilian Kleber aus der NBA. Allein Schröder machte bei den beiden bisherigen EM-Siegen gegen die Ukraine und Georgien immer mindestens so viele Punkte wie alle anderen Akteure, die nicht in NBA oder Euroleague spielen. »Die Fans wollen die besten Spieler aus Deutschland gegen die besten Spieler aus Spanien oder Frankreich sehen«, bemängelte Bundestrainer Chris Fleming das neue System. »Ich tue mich extrem schwer mit einem Wettbewerb für Nationalmannschaften ohne NBA und Euroleague. Für mich ist das nichts, was Basketball gut tut.«

Die FIBA hat zudem ihre WM-Turniere in ungerade Jahre verlegt, um der Fußball-Weltmeisterschaft künftig aus dem Weg zu gehen. Das führt dazu, dass auch die EM nur noch alle vier Jahre stattfindet und nicht mehr als Qualifikationsturnier für Weltmeisterschaft und Olympische Spiele dienen wird. Der Vertreter eines führenden europäischen Verbandes, der anonym bleiben wollte, befürchtete jüngst: »Die EM wird zu einem glorifizierten U20-Turnier. Es werden noch weniger Stars kommen als jetzt schon.«

Nutznießer könnten kleine Nationen ohne Superstars sein: Österreich war schon 2016 knapp dran, das deutsche Team - damals ohne Schröder - aus der EM-Qualifikation zu schmeißen. Auch Finnland, Polen und Georgien haben den Abstand zu den Spitzenteams verringert und hätten gegen deren B-Mannschaften Chancen. Man stelle sich vor, Europa- und Weltmeisterschaften sowie die Olympiaturniere finden ohne Spanier, Franzosen oder Italiener statt. Spätestens dann ginge der Schuss der FIBA nach hinten los, hätten sie sich doch auch ihrer letzten Hochglanzprodukte selbst beraubt.

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