Glückssucher auf der Parkinsel

Filmfest Ludwigshafen

  • Björn Hayer
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist nicht Berlin oder Venedig und schon gar nicht Cannes. Und trotzdem hatte Ludwigshafen mit seinem Festival des deutschen Films auch in diesem Jahr seinen Reiz. Bereits der Auftakt mit Alexandra Sells Tragikomödie »Die Anfängerin« war beachtlich. Im Zentrum stehen die Krisentage einer Ärztin (großartig gespielt von Ulrike Krumbiegel), deren Mann sie verlassen hat. Auch sonst gibt es kaum etwas Bewegendes in ihrem Leben, das sie aufbauen könnte. Kurzerhand beschließt sie, in einer Amateurgruppe Schlittschuhlaufen zu lernen. Als sie dann noch auf die von ihrem Vater zum Erfolg getrimmte Nachwuchseisläuferin Jolina (Maria Rogozina) trifft, entsteht eine Freundschaft, die beiden Frauen zu einem souveränen neuen Lebensentwurf verhilft. Zart, mit so liebevollen wie präzisen Bildern erzählt die Regisseurin von der zuletzt gestillten Sehnsucht nach Freiheit und Glück.

Überhaupt dominierten auf dem Festival die leisen, filigranen Filme das Programm. Werke wie »Gleißendes Glück«, »Rückkehr nach Montauk« oder die poetische Reverie »Luft« von Anatol Schuster über die entstehende Liebe zweier pubertierender Mädchen kreisen um die Einsamkeit, um Abgründe und Hoffnungen der menschlichen Existenz.

Wie viel Nähe kann ich zulassen? Gibt es Beziehungen auf Dauer? Solcherlei Fragen diskutiert auch Jana Bürgelins dokumentarischer Spielfilm »Millennials«, ein Porträt der Generation der Endzwanziger. Um die Großstadtmelancholie zu überwinden, machen die Protagonisten die Nacht zum Tag. Derweil hangeln sie sich von einem prekären Job zum nächsten und kennen keinen Weg aus der Ruhelosigkeit.

Während die Spielfilme, darunter auch die Gewinner des Filmkunstpreises - »Casting« von Nicolas Wackerbarth und »Western« von Valeska Grisebach -, das Private und Emotionale in den Blick nehmen, brillieren die Dokumentationen durch ihre politische Aussagekraft. Noch immer ist das Verhalten der nördlichen und westlichen Welt von kolonialen Mustern geprägt, wie etwa Joakim Demmers »Das grüne Gold« herausstellt. Statt dem Aufbau von wirtschaftlichen Strukturen dienen die Gelder der Weltbank der weiteren Ausbeutung Afrikas.

Besonders anschaulich wird die Stummheit der Armut in Michael Glawoggers postum geschnittenem Werk »Untitled«. Bevor er mit 54 Jahren an Malaria starb, konnte er bestechend scharfe Aufnahmen einfangen, wie man sie bis heute nur selten gesehen hat. Eine davon bleibt nachhaltig im Gedächtnis: Wir befinden uns in einer Wüste, im Niemandsland, wo ein Wagen Müll ablädt. Was in der Hitze vergammeln soll, wird von Kindern, Alten und Tieren durchwühlt. Nur wenig später fegt ein Sandsturm über die Berge. Das Meer aus Sand wird zu einem Meer aus Abfall. Unfassbar sind diese Bilder, eindringlich und schockierend!

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