Gleiches Kapital für alle
Hohe Einkommen steigen laut neuer IMK-Studie besonders schnell / Mittelschicht schrumpft
Auch wenn das Thema Ungleichheit im Wahlkampf nur am Rande vorkommt, nimmt die Konzentration von Einkommen am oberen Rand der Gesellschaft weiter zu. Sind die verfügbaren Einkommen der Oberschicht zwischen 1991 und 2014 nach Abzug der Inflation im Schnitt um gut 17 Prozent gestiegen, waren es in der Mitte der Gesellschaft lediglich zehn und bei Geringverdienern sogar nur drei Prozent. Dies belegt eine Studie, die das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) am Montag in Berlin vorstellte. Demnach schrumpfte der Anteil der Mittelschicht von 63 auf 56 Prozent aller Haushalte hierzulande.
»Es ist Zeit, die Ungleichheit wieder zu reduzieren«, sagt IMK-Direktor Gustav Horn. Für den Ökonomen ist dies nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. »Ein polarisiertes Land kann auf Dauer nicht erfolgreich sein«, erklärt Horn, warum mehr Umverteilung auch ökonomisch sinnvoll ist. Das IMK schlägt deshalb ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor, wie Reiche höher besteuert werden können, die Mittelschicht gestärkt und die Armut reduziert werden kann. Denn es gebe Horn zufolge nicht »die eine Maßnahme«, mit der allein man das Problem erfolgreich angehen könne.
Viele der IMK-Forderungen sind altbekannt und wurden schon vor der letzten Bundestagswahl 2013 erhoben - wie die Reaktivierung der Vermögensteuer oder die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Vier Forderungen sind Horn jedoch besonders wichtig: Erstens soll die Grundsteuer in eine Bodenwertsteuer umgewandelt werden. Dadurch sollen vor allem in Ballungszentren, wo Wohnraum teuer ist, statt Einfamilienhäusern mehr Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Zweitens schlägt das IMK vor, das Tarifsystem zu stärken, indem Abschlüsse einfacher als allgemeinverbindlich erklärt werden können. Drittens soll die Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes an den Mindestlohn gekoppelt werden, der künftig schneller steigen soll.
Viertens bringt das IMK die Schaffung eines Staatsfonds ins Spiel, der in Wertpapiere investiert. Dieser soll vor allem mit Hilfe von Überschüssen in der Staatskasse aufgebaut und die Dividenden daraus über ein »bedingungsloses Kapitaleinkommen« gleichmäßig auf alle Bürger verteilt werden. Die Idee dahinter: Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen, die kaum Kapitalvermögen besitzen, sollen so an den üppigen Gewinnen der Unternehmen beteiligt werden. Zudem will das IMK so einer weiteren Konzentration des Reichtums entgegenwirken. Jedoch würde es lange dauern, bis genügend Kapital im Fonds angesammelt wäre, damit der Staat eine nennenswerte Dividende ausschütten könnte.
Müsste Horn sich für eine Maßnahme entscheiden, würde er deshalb zunächst die Privilegien bei der Erbschaftsteuer abschaffen. Denn das Bundesverfassungsgericht wird vermutlich auch die neueste Version der Steuer beanstanden, weshalb sich der neue Bundestag bald mit ihr beschäftigen muss.
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