Die Kieler Flitterwochen sind vorbei

Schleswig-Holstein: Erste Risse im Jamaika-Bündnis

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die seit Frühsommer in Schleswig-Holstein regierende schwarz-grün-gelbe Koalition, wie sie ja auch auf Bundesebene als denkbare Option diskutiert wird, muss ihre ersten internen Streitigkeiten aushalten. Ausgelöst wurden sie durch verbale Alleingänge von Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP), der damit der Opposition eine Steilvorlage lieferte, die daraufhin am Mittwoch im Kieler Landtag in einer Aktuellen Stunde mündete.

Gleich zu zwei Themen preschte Buchholz eigenmächtig vor, ohne sich mit den Koalitionspartnern abzustimmen beziehungsweise Rücksicht auf den Koalitionsvertrag zu nehmen. Zum einen kündigte er am 7. September in Berlin bei der Bundespressekonferenz die Abschaffung des Landesvergabemindestlohnes an, der in Schleswig-Holstein 9,99 Euro beträgt und somit höher als der Bundesmindestlohn ist. Ferner sagte er am 13. September beim Norddeutschen Immobilientag in Hamburg, dass in Schleswig-Holstein die Grunderwerbsteuer für alle Immobilien zur Selbstnutzung bis zu einem Wert von 500 000 Euro wegfallen soll. Für diese Aussage bekam Buchholz Beifall nur von der AfD.

Bei CDU und Grünen fühlt man sich an Phasen der Koalitionsverhandlungen erinnert, als die FDP mit Störkommentaren dem angestrebten Jamaika-Bündnis bereits das Scheitern prophezeite. Der CDU-Landeschef und jetzige Ministerpräsident Daniel Günther intervenierte seinerzeit umgehend und moderierend. Bei den aktuellen Querelen blieb Günther bislang stumm. Umso deutlicher meldeten sich die Grünen zu Wort. Finanzministerin Monika Heinold sah sich genötigt klarzustellen, dass der Koalitionsvertrag umgesetzt werde - »und nicht das FDP-Wahlprogramm«.

In der Landtagsdebatte vom Mittwoch versuchten die Koalitionäre die Situation herunterzuspielen. Die FDP verwies darauf, dass ein Minister auch eine eigenständige Meinung haben dürfe, die Grünen bemühten ein Beispiel aus der vorhergehenden Regierungsperiode. Da sei SPD-Innenminister Stefan Studt mit seiner Befürwortung der Vorratsdatenspeicherung inhaltlich von der eigenen Parteilinie und dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband abgewichen. Die Nord-CDU nannte die von der SPD thematisierte Diskussion eine den Bundestagswahlen geschuldete Scheindebatte.

Minister Buchholz wiederholte im Landtag noch einmal, dass er den Landesvergabemindestlohn für überflüssig halte, auch wenn er den Koalitionsvertrag zu respektieren habe. Er hielt der SPD Glaubwürdigkeitsprobleme vor, weil in den rot-grün regierten Ländern Hamburg und Niedersachsen der Vergabemindestlohn unter Verweis auf den Bundesmindestlohn abgeschafft wurde. Und kurz vor ihrer Wahlniederlage hatte sich auch Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen für solch einen Schritt entschieden, führte Buchholz weiter aus.

Für den DGB Nord ist das Thema Mindestlohn jedoch nicht erledigt. Er fordert eine Klarstellung durch die Landesregierung, ob und welche Verschlechterungen beim Landesmindestlohn geplant seien, kündigte Buchholz doch nunmehr eine Bundesratsinitiative gegen in diesem Zusammenhang vorgeschriebene Dokumentationspflichten an. Der DGB warnt vor Lohndumping: »Ohne die bestehenden Aufzeichnungspflichten wird der Mindestlohn praktisch abgeschafft. Dann würden Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten, bei Arbeitszeiten und Stundenlöhnen zu tricksen und zu tarnen.«

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